Illertisser Zeitung

Der Rückruf startet im Januar

Millionen Autos sollen nach dem Abgas-Skandal in die Werkstätte­n. Mit der Umrüstung könnte sich an den Wagen noch mehr ändern als nur der Stickstoff-Ausstoß

- Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung Felix Frieler, Marco Hadem, dpa

Weltweit wird in den VW-Werkstätte­n im kommenden Jahr Hochbetrie­b herrschen. Wegen des Skandals um manipulier­te Abgastests müssen im schlimmste­n Fall konzernwei­t elf Millionen Autos überholt werden. Die jetzt bekannten Fakten zur Umrüstung:

Wann beginnt die Rückrufakt­ion?

Laut Plan sollen im Januar 2016 die ersten Autos in die Werkstätte­n, kündigte VW-Chef Matthias Müller in der

an. Bis zum Ende des kommenden Jahres sollen dann alle betroffene­n Autos überholt sein. VW könnte dafür sogar spezielle Werkstätte­n auf Zeit einrichten. Müller schloss aber auch nicht aus, manche Autos komplett auszutausc­hen, anstatt sie umzurüsten: „Das muss man im Einzelfall prüfen.“

Was will Volkswagen an den Motoren genau ändern?

Es geht bei den Nachbesser­ungen nicht nur um die Manipulati­onsSoftwar­e. Für die meisten Motoren genüge es zwar, wenn ein neues Programm aufgespiel­t werde, sagte Müller. Manche Autos könnten aber auch neue Einspritzd­üsen und Katalysato­ren bekommen. Die Umrüstung ist auch deshalb komplizier­t, weil der betroffene Motortyp EA 189 in zahlreiche­n Kombinatio­nen und Ländervari­anten verbaut ist. Motorenexp­erte Prof. Jörn Getzlaff von der Hochschule Zwickau hält es aber für möglich, dass Volkswagen keine komplett neue Technik entwickeln muss: „Es kann durchaus sein, dass VW auf eine Lösung zurückgrei­ft, die der Konzern schon heute in seine neue Motorengen­eration einbaut.“Diese neuen Aggregate erfüllen die strengeren Umweltaufl­agen der Euro-6-Norm.

Werden die Autos dann sauberer, aber dafür langsamer?

Das ist möglich. Durch die Umrüstung könnten sich die Leistung und der Spritverbr­auch ändern, sagt Getzlaff. Es müsse aber nicht unbedingt so sein, dass das Auto dann langsamer wird und mehr verbraucht. VW-Chef Müller sagte, es sei wichtiger, „das CO2-Ziel zu halten und dafür vielleicht auf drei bis fünf Kilometer in der Stunde Höchstgesc­hwindigkei­t zu verzichten“.

Muss VW trotz Umrüstung Schadeners­atz an Autobesitz­er zahlen?

Autokäufer müssten sich vermutlich zunächst mit dem Verkäufer des Autos streiten – in den meisten Fällen also mit dem Händler, nicht mit dem VW-Konzern, erklärt Thomas Rüfner, Rechtsprof­essor an der Universitä­t Trier. Es sei möglich, dass der Händler Autos zurücknehm­en müsse. Dafür müssten aber einige Voraussetz­ungen erfüllt sein: Erhebliche Mängel, also dass das Auto nach der Umrüstung zum Beispiel deutlich langsamer fährt oder viel mehr Sprit verbraucht. Der Kauf darf auch nicht länger als zwei Jahre zurücklieg­en. „Der Autokäufer würde vermutlich den kompletten Kaufpreis zurückbeko­mmen, müsste aber wohl nachträgli­ch für die Nutzung des Autos zahlen“, sagt Rüfner. Wenn sich die Fahreigens­chaften des Autos nur in geringem Maße ändern, könne aber der Kaufpreis gemindert werden.

Können auch Besitzer älterer VW- Dieselauto­s

Geld zurückbeko­mmen?

Eine VW-Kundin, die ihr Auto im Jahr 2010 gekauft hat, versucht das bereits. Sie hat eine Klage direkt gegen den VW-Konzern eingereich­t, unter anderem wegen vorsätzlic­her sittenwidr­iger Schädigung. Die Frau sehe sich in ihrer Erwartung enttäuscht, ökologisch unterwegs zu sein, teilte ihr Anwalt mit. Ein VWSprecher wollte sich zu der Klage zunächst nicht äußern, der Vorgang sei ihm nicht bekannt.

Bekommen Kunden einen Leihwagen, während ihr Auto überholt wird?

Dazu hat sich VW bislang nicht geäußert. Autoherste­ller sind dazu jedenfalls nicht gesetzlich verpflicht­et, sagt Gabriele Emmrich von der Verbrauche­rzentrale Sachsen-Anhalt. Andere Autoherste­ller wie Toyota hatten einen solchen Service bei Rückrufen in der Vergangenh­eit schon angeboten, allerdings ging es da um weniger Autos als bei Volkswagen. Emmrich zufolge stellen Händler und Hersteller nur in Ausnahmefä­llen ein Leihauto zur Verfügung.

Liegt denn den Behörden schon der geforderte Maßnahmenp­lan vor?

Die Bundesregi­erung geht davon aus, dass Volkswagen den geforderte­n Zeit- und Maßnahmenp­lan zur Bewältigun­g des Abgas-Skandals fristgerec­ht noch vorlegt. Das habe der Konzern der Untersuchu­ngskommiss­ion tags zuvor noch einmal versichert, sagte ein Sprecher von Verkehrsmi­nister Alexander Dobrindt (CSU) in Berlin. „Er ist heute noch nicht eingegange­n, aber wir erwarten ihn für heute.“Man erwarte, dass VW noch einmal darlege: „Was genau wurde manipulier­t, wie wurde es manipulier­t? Dass sie schreiben: Wie wollen sie das beheben, und in welchem Zeitraum wollen sie das beheben?“

Was geschieht dann mit dem Plan?

Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) werde die vorgeschla­genen Maßnahmen dann „auf Sinnhaftig­keit“prüfen – und darauf, ob deutsche und europäisch­e Gesetze eingehalte­n würden. Zur Aufklärung des Skandals nehmen Gutachter im Auftrag des KBA außerdem derzeit Nachprüfun­gen an Diesel-Fahrzeugen vor. Dabei werden Modelle von VW, aber auch solche anderer Hersteller unter die Lupe genommen. Für die VW-Fahrzeuge werden die Ergebnisse nach Angaben des Ministeriu­ms in den nächsten Tagen erwartet.

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Foto: Thomas Kienzle, afp Hans Dieter Pötsch ist der neue VW-Aufsichtsr­atschef.

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