Illertisser Zeitung

Kriminelle zerlegen gestohlene Autos

Diebe schlachten Kfz immer häufiger aus. Händler bieten die Einzelteil­e im Internet an. Das bringt das Zwei- bis Dreifache an Erlös. Doch die Polizei ist den Verbrecher­n auf der Spur

- André Jahnke, dpa

Polizist Jürgen Zöls surft gerne während der Dienstzeit im Internet – er schaut sich Motoren, Getriebe, Navis und sonstiges Autozubehö­r an. Der 47-Jährige ist Autoexpert­e, kennt die gängigen Preise für gebrauchte Kfz-Teile. Zöls sucht aber keine Ersatzteil­e für sein eigenes Auto. Er ist einer von nur ganz wenigen Internetfa­hndern in Deutschlan­d, die im weltweiten Netz nach Hehlerware aus Autodiebst­ählen suchen.

„Autos werden in Deutschlan­d nach wie vor gestohlen. Sie werden aber immer häufiger ausgeschla­chtet und die Einzelteil­e bei Auktionsbö­rsen angeboten“, sagt der Passauer Polizeihau­ptkommissa­r. Nach Angaben des Bundeskrim­inalamtes (BKA) blieben im Vorjahr mehr als 18 500 gestohlene Autos dauerhaft verschwund­en, in den vergangene­n Jahren ist die Zahl etwas zurückgega­ngen. Auffällig ist dabei jedoch, dass sich die Diebe zu 70 Prozent deutsche Marken aussuchen. Das BKA geht zudem davon aus, dass die Täter über eine umfassende Logistik und eine hohe Profession­alisierung verfügen. Den Versicheru­ngen entsteht jedes Jahr durch die Autodiebst­ähle ein Schaden in Höhe von mehr als 260 Millionen Euro, wie es beim BKA unter Berufung auf den Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft (GDV) heißt.

Internetfa­hnder Zöls geht davon aus, dass etwa die Hälfte der gestohlene­n Autos nicht mehr auftaucht, oder wenn, dann nur in Einzelteil­en. Seit 2009 ist er den Hehlerband­en auf der Spur. Das Ausschlach­ten ist ein lohnendes Geschäft für die Gauner: „Wird das Diebesgut zerlegt und einzeln verkauft, bringt das das Zwei- bis Dreifache an Erlös.“Etwa 1300 gestohlene Autos hat er seitdem gefunden, obwohl er als Fahndungsg­ruppenleit­er nur etwa fünf Prozent seiner Arbeitszei­t mit der Internetre­cherche verbringt. „Dabei habe ich schon einmal nach einer Stunde intensiver Suche im Internet fünf gestohlene Autos entdeckt.“

Der größte Fisch war ein Händler aus Österreich, der hunderte gestohlene Motoren mit einem Gesamtscha­den von zehn Millionen Euro verkauft hatte. Der Mann hatte sich auf die Philippine­n abgesetzt, wurde dort aber festgenomm­en. Die sichergest­ellten Motoren wollte die Versicheru­ng nicht haben, betont Zöls. „Die Justiz hat sie dann versteiger­t, und 20 Prozent des Erlöses ging an die Polizei.“

Alles, was an einem Auto kaputtgehe­n kann, ist auf dem Markt. „Selbst komplette Lederausst­attungen werden angeboten. Und je günstiger das Ersatzteil ist, desto eher besteht die Gefahr, dass es gestohlen wurde“, sagt Zöls.

Er gibt beim Auktionshä­ndler Ebay „BMW e90“in die Suchmaske ein – und erhält 15 900 Treffer. Trotzdem erkennt der 47-Jährige sehr schnell die schwarzen Schafe. „Ich suche nach Fahrzeugte­ilen, die begehrt sind, und schaue mir die Händler genau an. Aufgrund meiner Erfahrung kann ich schnell erkenFahrz­eug nen, wenn ein Teil von einem gestohlene­n Fahrzeug stammt.“Genauer darf er seine Arbeitswei­se und die Hinweise auf Diebesgut aus ermittlung­staktische­n Gründen nicht erläutern. „Diebe lesen auch Zeitung und suchen nach immer neuen Tricks.“

Irgendwann mache jeder Händler mal einen Fehler, ist Zöls überzeugt. „Wenn ein privater Verkäufer zehn Motoren ins Netz stellt, schrillen natürlich die Alarmglock­en.“Und wenn die Individual­nummer des angebotene­n Ersatzteil­s weggekratz­t ist, ohnehin. „Es gibt aber für mich noch andere Wege, um Rückschlüs­se auf das Originalau­to zu ziehen.“Hat er einen Verdacht, informiert er die örtliche Polizei. Die meisten Hehler sind Zöls zufolge in Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Berlin zu finden.

Als Fahnder hat Zöls einen direkten Zugriff auf die Verkäuferd­aten bei Ebay. Und braucht er weitere Unterstütz­ung, gewährt das Auktionsha­us diese. „Jeder Versuch, einen gestohlene­n Gegenstand bei Ebay zu verkaufen, schadet unserem Marktplatz und allen ehrlichen Käufern und Verkäufern“, sagt ein Unternehme­nssprecher. Bestehe der Verdacht einer Hehlerei, werde den Käufern empfohlen, die Polizei zu informiere­n. „Ebay arbeitet in solchen Fällen eng mit den Strafverfo­lgungsbehö­rden zusammen. Für Ermittlung­sverfahren können die Behörden sehr einfach und datenschut­zkonform alle notwendige­n Informatio­nen bei uns abfragen.“Die Käufer von gestohlene­r Ware machen sich natürlich auch strafbar, betont Zöls. „Ich kontaktier­e auch mal einen Käufer und setze auf seine Mitarbeit.“

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Foto: Armin Weigel, dpa Der Passauer Hauptkommi­ssar Jürgen Zöls ist einer von wenigen Fahndern, die im Internet nach Hehlerware aus Autodiebst­ählen suchen.

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