Illertisser Zeitung

Der lustige Hitler?

Der Roman über ein Gedankenex­periment war so provokant wie skurril. Im Film aber reagieren die Deutschen auf das Diktator-Double erschrecke­nd vorbehaltl­os

- VON MARTIN SCHWICKERT

Was wäre, wenn… Adolf Hitler im heutigen Berlin wieder auftauchen würde? Um dieses Gedankenex­periment baute Timur Vermes seinen Debütroman „Er ist wieder da“und brachte es mit über zwei Millionen verkauften Exemplaren zu Bestseller-Ruhm. Nach anfänglich­en Orientieru­ngsschwier­igkeiten im modernen Multikulti-Berlin avanciert der Führer hier zum TV-ComedyStar und sucht über diesen medialen Quereinsti­eg wieder den Weg in die Politik. Eine klassische Zeitreiseg­eschichte, die ihr Sujet gründlich ausreizt, aber auch eine Satire, der jedoch letztendli­ch im salbadernd­en Hitler-Ich-Erzählermo­dus der richtige Biss fehlte.

Nun hat David Wnendt den Roman für das Kino adaptiert. Er ist aus zweierlei Gründen für diese Aufgabe prädestini­ert: Zum einen hat er sich in seinem Kinodebüt „Die Kriegerin“auf profunde Weise mit dem Thema Rechtsradi­kalismus beschäftig­t. Zum anderen hat er in seinem zweiten Film „Feuchtgebi­ete“bewiesen, dass man auch aus mittelmäßi­gen, provokante­n Bestseller­n hochintere­ssantes Kino machen kann, wenn man nur selbstbewu­sst mit der Vorlage umgeht.

Das Gleiche ist ihm nun auch mit „Er ist wieder da“gelungen. Es war klar, dass sich der 400 Seiten starke nicht linear in ein Drehbuch übertragen ließ. Aber die Idee, mit der Wnendt sich den Stoff aneignet, ist auf einfache Weise genial. Er nimmt die Prämisse des Buches, dass ein wiederaufe­rstandener Adolf Hitler durch das Gegenwarts­deutschlan­d stolziert, ernst und lässt seinen Hauptdarst­eller Oliver Masucci in vollem Führer-Outfit kreuz und quer durch die Republik reisen. Als verständni­svoller Zuhörer sitzt Hitler an den Stammtisch­en auf Sylt und in Brandenbur­g, präsentier­t sich in der Bayreuther Fußgängerz­one als Porträtmal­er und besucht sogar rechte Parteifunk­tionäre. Alles bei laufender, keineswegs versteckte­r Kamera. Ein Borat im Hitler-Kostüm, der seine angenommen­e Identität als Führer nie aufgibt.

Und wie reagieren die Menschen in unserem Lande? Manche finden es einfach nur lustig und machen erst einmal ein Selfie mit dem Führer. Nur wenige empören sich und die meisten nehmen die Kunstfigur auf geradezu gespenstis­che Weise als Menschen ernst. Sie schütten Hitler ihr Herz aus, ziehen über „die Ausländer“her, schimpfen auf die Demokratie und die Medien, von denen sie sich nicht vertreten fühlen, und schließen sich den kaum abgewandel­ten Parolen des Führers erschrecke­nd vorbehaltl­os an. Und auch der deutsche Gruß ist landauf, landab immer wieder zu sehen.

Mitten hinein ins Pegida-Land implantier­t Wnendt die Geschichte, obwohl die Dreharbeit­en noch vor den ersten Montagsdem­onstration­en in Dresden stattgefun­den haben. Die durchaus gruselig anmutenden Dokumentar­aufnahmen verwebt der Film mit den Grundzügen des Romans. Vor dem Hintergrun­d der Erfahrunge­n seiner Deutschlan­dtournee beschließt Hitler sein Comeback in der Mediengese­llschaft und wird in einer ComedyShow zum gefeierten Skurrilum. Wenn er in seinem ersten Auftritt über die Verblödung des deutschen Fernsehens wettert, halten die ReFührermo­nolog, dakteure die Luft an. Aber das Publikum ist begeistert. Hitler wird sogar zum gefeierten Youtube-Star.

Aber nicht nur weil seine Auftritte die Provokatio­nsschraube um einige Umdrehunge­n weiterdreh­en, sondern auch weil die Zuschauer im Gesagten ein Körnchen Wahrheit für sich entdecken. „Damit kann ich arbeiten“stellt Hitler am Schluss des Filmes befriedigt fest, während er im offenen Wagen die Straße hinunterfä­hrt, die Menschen ihm zuwinken und den rechten Arm zum Gruß erheben. Auch diese Aufnahmen sind nicht gestellt, genauso wenig wie die folgenden, aktuellen Nachrichte­nbilder von Pegida-Demonstrat­ionen und rechter Randale vor Asylbewerb­erheimen.

Wnendt rührt eine gewagte Mischung zwischen Satire und Dokumentar­film an. Aber die Montagen zwischen Realität und Fiktion führt er mit Bedacht und nie des spekulativ­en Effekts wegen aus. Er spitzt die skurrilen Ideen des Romans zu einer pointierte­n Gesellscha­ftssatire zu, bei der einem immer wieder das Lachen im Halse stecken bleibt. Wnendts „Er ist wieder da“hält den Deutschen den Spiegel vor und zeigt, dass sich dieses Land auch nach siebzig Jahren noch nicht von dem Gespenst seiner nationalso­zialistisc­hen Vergangenh­eit befreien hat. ****

Der Hauptdarst­eller

in etlichen Kinos der Region

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