Würfel dich glücklich
Brettspiele sind im Trend – selbst im Computer-Zeitalter. Bei der größten Branchenmesse der Welt werden ab heute in Essen so viele Neuheiten vorgestellt wie nie zuvor
Detailgetreue Welten, immer realistischer dargestellte Action, immer filmreifer erzählte Geschichten – geht es um Neuerungen in der Spielebranche, dreht sich derzeit alles um die digitale Welt. Wer interessiert sich da noch für klassische Brett- oder Kartenspiele? Einige – die Brettspielbranche boomt. Heute beginnt die weltgrößte Spiele-Messe in Essen, auf der dieses Jahr 1100 Neuheiten vorgestellt werden – so viele wie noch nie.
„Mit anderen Menschen Spaß zu haben und zu lachen, aber auch lernen zu verlieren, das geht mit Brettspielen immer noch am besten“, sagt Hermann Hutter, Vorsitzender des Verbands der Spieleverlage. Der Günzburger sagt auch: Im Gegensatz zu Videospielen benutzt man Brettspiele zu großen Anlässen wie Silvester oder bei einem Ausflug auf die Skihütte. Kinder fasziniere immer noch, beim Spielen Würfel und Spielfigur in der Hand zu haben.
der Kindheit verlieren im Alter von etwa 15 Jahren viele Jugendliche aber das Interesse an Brettspielen und interessieren sich mehr fürs Digitale. Computerspiele und Apps fürs Smartphone müssen auf der Essener Spielemesse allerdings komplett draußen bleiben. Dabei sind die Welten nicht mehr so deutlich getrennt: Lara Croft, die Angry Birds oder die Figuren aus World of Warcraft – sie alle gibt es auch als Brettspiel. Auch andersrum funktioniert das: Hasbro arbeitet beispielsweise mit Electronic Arts zusammen und hat auf diesem Weg Monopoly auf das Handy gebracht. Wirklich vermischen wolle man analog und digital aber nicht. Es habe einmal einen kurzen Trend gegeben, in dem digitale Elemente in Brettspiele eingebaut wurden, das kam bei den Kunden aber nicht an.
Zurück zu den Brettspielen finden viele Menschen dann erst wieder im Studentenalter, sagt Hutter. Mit der ersten WG fokussiert man sich weniger auf die Technik, man unternimmt gesellschaftlich wieder mehr. „Viele Studenten kaufen sich einfache Spiele und machen daraus ein Trinkspiel“, sagt Hutter – auch so kann Interesse am Brettspiel entstehen. Begeisterte „Vielspieler“seien dann in der Altersgruppe von etwa 20 bis 40 Jahren zu finden.
Dazu gehören auch die meisten der 160000 Fans, die bis Sonntag in der seit mittlerweile 33 Jahren veranstalteten Messe erwartet werden. Diese Vielspieler kaufen früh und entscheiden damit, was sich im Markt durchsetzt. „Wenn ein Spiel im ersten Jahr nicht wirklich ankommt, verschwindet es schnell wieder“, sagt Hutter. Gleichzeitig gehören immer noch Spiele, die es seit langer Zeit gibt, zu den absoluten Verkaufsschlagern – zum Beispiel Monopoly (erschienen 1933) oder Mensch ärgere dich nicht (erNach schienen 1910). Wegen der Präsenz der Klassiker liege die Schwierigkeit darin, ein Spiel dem großen Publikum erst einmal vorzustellen. 400 Millionen Euro Umsatz hat die Branche 2014 gemacht.
Im Trend sehen Experten Gemeinschaftsspiele, bei denen alle Teilnehmenden gemeinsam an einer Lösung arbeiten müssen, anstatt gegeneinander zu konkurrieren. „Bei den sogenannten kooperativen Spielen bilden sich Teams, die zusammen eine Lösung suchen“, sagt Hutter. Neu vorgestellt wird bei der Messe etwa Mysterium, bei dem die Spieler einen Mörder gemeinsam anhand von Traumbotschaften eines Geistes ermitteln müssen. Rund zehn Kilogramm wiegt Mega Civilization. Bis zu 18 Leute können sich bei dem Spiel an einem gemeinsamen Brett treffen. Das satirische Brettspiel Euro Crisis zur Finanzkrise setzt auf politische Aktualität. Auch um zwischenmenschliche Probleme geht es bei der Partyidee Privacy Quickie.
Die alten Klassiker überstrahlen Neues