Merkels neue Anhänger
Für ihren Fernseh-Auftritt bekommt die Kanzlerin Zuspruch – allerdings vor allem vom politischen Gegner. Im eigenen Lager könnte es schon heute zum nächsten Krach kommen
Bei Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig muss man diese Information vorausschicken: Er ist SPD-Mitglied. Das macht seine Ansicht über Angela Merkel, die CDU-Chefin, so bemerkenswert: „Die Kanzlerin hat einen Plan, und der ist auch gut“, sagt Albig gestern zu Merkels TV-Auftritt bei Anne Will. Eine Stunde lang hat die Regierungschefin dort versucht, ihre Flüchtlingspolitik zu erklären und so viele Zuschauer wie möglich für sich zu gewinnen.
Trotz Kritik aus der eigenen Partei hat Merkel ihre Linie gestern auch vor der Basis verteidigt. Bei der ersten von bundesweit vier Mitgliederkonferenzen zur geplanten Parteireform bekräftigte die CDUVorsitzende am Donnerstagabend in Wuppertal ihren asylfreundlichen Kurs. Noch nie hat Merkel so viel Druck von ihren Ministerpräsidenten, von der Basis und von CSU- Horst Seehofer bekommen. Dieser droht mit „Notwehr“, sollte Berlin nichts gegen die steigenden Flüchtlingszahlen unternehmen. Was immer das bedeuten mag. SPD-Chef Sigmar Gabriel verteidigt Merkel und sagt: „Die Grenzen dicht zu machen, das haben wir hinter uns. Sollen wir die Bundeswehr aufmarschieren lassen, mit Bajonetten?“In Berlin werden schon Witze gemacht, die SPD müsse Merkel bald Asyl gewähren, weil die CDU kein sicheres Herkunftsland mehr für sie sei.
Verkehrte Welt: Die Grünen loben die CDU-Chefin
Auch die SPD-Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz, Malu Dreyer, lobte Merkels Auftritt. „Es war wichtig, dass die Bundeskanzlerin bekräftigt hat, dass wir es schaffen können“, sagte sie. Und selbst die Oppositionsparteien begrüßten Merkels Beharrungsvermögen. „Ihr ,Wir schaffen das!‘ ist eine Abfuhr an die Schwarzmaler und Kritiker in den eigenen Reihen“, sagt zum Beispiel Grünen-Chefin Simone Peter. Allerdings fügt sie hinzu: „Es fehlt ein Masterplan für die Aufnahme und Integration der Flüchtlinge.“
Ist ja nicht schlecht gelaufen für die Kanzlerin, könnte man bilanzieren. Wären da nicht die sinkenden Beliebtheitswerte und natürlich das Grummeln im eigenen, konservativen Lager. Da könnte es schon heute zum nächsten Krach kommen. Denn CSU-Chef Seehofer will mit seinem Kabinett über die angedrohten „Notmaßnahmen“reden.
Immerhin ihren Innenminister scheint Merkel wieder eingefangen zu haben. Thomas de Maizière warb gestern in den Unionsparteien um mehr Unterstützung für die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin. Die Distanzierung gerade des CSU-VorsitChef zenden Horst Seehofer von der Kanzlerin sei „nicht schön“, kritisierte der CDU-Politiker, der selbst zuletzt auf Distanz zu gehen schien.
Auch andere Parteifreunde wie die CDU-Vizevorsitzenden Julia Klöckner und Thomas Strobl oder Hessens Ministerpräsident Volker Bouffierstellten sich hinter die Chefin. Schließlich hat Merkel ja auch Sätze wie diesen gesagt: „Multikulti halte ich für eine Lebenslüge.“Dieses Signal brauchten viele in der Union, damit sie sich sicher sein können, dass Merkel Integration und Respekt vor Regeln in Deutschland von Ausländern fordert. Ob der interne Frieden wieder hergestellt werden kann, wird davon abhängen, ob Merkels Plan aufgeht: Fluchtursachen in fernen Ländern bekämpfen, international zusammenrücken auch mit Staaten, mit denen es (etwa mit der Türkei) auch Probleme gibt.