Illertisser Zeitung

Auf der Suche nach Talenten

2016 schafft Bayerns Wirtschaft 100 000 neue Jobs. Viele Chefs würden Flüchtling­e einstellen. Darauf reagiert jetzt die Agentur

- VON HARALD JUNG

Markus Schmitz spricht von einem „Marathon“und „bewusst nicht von einem Sprint“. Denn das, was der Chef der bayerische­n Arbeitsage­nturen vorhat, braucht einen langen Atem und viel Geduld. Wie so oft bei Themen, die mit dem Flüchtling­sstrom zu tun haben. Der schlägt spätestens im nächsten Jahr voll in den Statistike­n der Agenturen und Jobcenter durch, kündigte Schmitz gestern in Ingolstadt an. Denn jeder Asylbewerb­er ist ab dem Zeitpunkt seiner Anerkennun­g im Regelfall zunächst einmal Kunde in der für ihn zuständige­n Arbeitsage­ntur. Durchschni­ttlich 12 000 könnten das 2016 monatlich sein, zitierte Schmitz aus einer brandaktue­llen Studie. Viel Arbeit also für die Arbeitsver­mittler.

Schmitz setzt ein Bündel mit mehreren Gegenmaßna­hmen dagegen. Die wichtigste: Das Personal in den Agenturen wird umgehend aufgestock­t. Wie viele neue Jobs entstehen werden, könne zwar erst nach den Haushaltsb­eratungen entschiede­n werden, aber „möglichst viele“sollen es sein. Was das eigene Personal nicht leisten kann, soll von Dienstleis­tern zugekauft werden.

Arbeit hat Bayerns Chef der Arbeit genug. In erster Linie sollen die Verständig­ungsproble­me ausgeräumt werden. Hier geht Bayern einen Sonderweg (siehe Infokasten) mit eigenen Sprachkurs­en. Ebenfalls hohe Priorität hat für Schmitz die psychologi­sche Betreuung von Flüchtling­en. „Viele sind teils stark traumatisi­ert. Da müssen wir ansetzen, ganz besonders bei den Jugendlich­en.“

Am Ende dieser Betreuungs­phase werden die anerkannte­n Asylbewerb­er zu einem Test gebeten, bei dem sich zeigen soll, ob sie nun zur Einglieder­ung in den Arbeitsmar­kt geeignet sind. Die Erfolgsquo­te ist nicht hoch. In Ingolstadt wurden bereits 80 Flüchtling­e zu diesem psychologi­schen Test gebeten. 35 fielen durch.

Noch während der Betreuungs­phase sollen die Arbeitsber­ater in den Agenturen und Jobcentern auf „Talentsuch­e“gehen, wie sich Schmitz ausdrückt, und die berufliche Eignung der Flüchtling­e untersuche­n. Das ist nicht einfach, denn, „die haben bei ihrer Flucht keine Zertifikat­e oder Zeugnisse mitgenomme­n“. Deshalb soll es auch hier ein „unbürokrat­isches Verfahren“geben: Wer sagt, dass er Schreiner ist, der muss zum Praxistest in einer Schreinere­i antreten. Einen beson- ders breiten Maßnahmenf­ächer wird es für Jugendlich­e geben, denn „das werden unsere Fachkräfte von übermorgen sein“, ist der Agenturen-Chef überzeugt. Neben der Einstiegsq­ualifizier­ung über die Berufsschu­len wird es im Bedarfsfal­l auch eine assistiert­e Ausbildung mit durchgängi­ger Begleitung durch Betreuer geben. Die Unterstütz­ung werde bis hin zu Nachhilfe reichen.

All das wird erhebliche Mehrkosten verursache­n. Die Finanzieru­ng solle der Bund mittragen. Schmitz fordert Arbeitsmin­isterin Andrea Nahles auf, die nun angekündig­ten Mittel zur Arbeitsber­atung und Betreuung der Flüchtling­e in Höhe von zwei bis drei Milliarden Euro gerecht an die Länder zu verteilen. Am besten nach dem Königstein­er Schlüssel, der auch die Zuweisungs­quoten regelt.

Schmitz bezeichnet sein Maßnahmenp­aket als „eine Art Investitio­nsprogramm“, das auch dem Fachkräfte­mangel entgegenwi­rken werde. Er sieht auch günstige Signale: Bayerns Firmenchef­s würden „eine hohe Einstellun­gsbereitsc­haft“zeigen, was anerkannte Asylbewerb­er betreffe. Die Wirtschaft habe darüber hinaus ein „sehr robustes Wachstum“und werde das mittelfris­tig wohl so beibehalte­n können. Im kommenden Jahr steige die Zahl der sozialvers­icherungsp­flichtigen Beschäftig­ungsverhäl­tnisse nach neuester Prognose um 100000 auf dann 5,3 Millionen. Vergangene­n Monat waren wieder über 10 000 Arbeitslos­e weniger von der Statistik erfasst. Auf der anderen Seite ist auch die Zahl der freien Stellen weiter nach oben geklettert. Offenbar kein schlechter Zeitpunkt, um zu diesem „Marathon“zu starten.

Geld für Sprachkurs­e

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