Illertisser Zeitung

Der Garantiezi­ns soll fallen

Jahrelang wurden Lebensvers­icherungen mit einem lebenslang­en Zinsverspr­echen verkauft. Worauf sich Kunden nun einstellen müssen

- VON SONJA KRELL

Die Neuerung versteckt sich auf Seite 173 des Referenten­entwurfs aus dem Finanzmini­sterium. Doch die Zeilen haben es in sich: Denn sie besiegeln das Aus des bislang verbindlic­hen Garantiezi­nses – und damit auch der klassische­n Kapitalleb­ensversich­erung. Wir erklären, was Kunden wissen müssen.

Was ist der Garantiezi­ns?

Der Ertrag einer Lebensvers­icherung besteht aus zwei Teilen – dem Garantiezi­ns und der Überschuss­beteiligun­g. Der Garantiezi­ns ist das lebenslang­e Zinsverspr­echen, das die Versichere­r bisher geben müssen. Er wird nicht auf den gezahlten Beitrag berechnet, sondern nur auf den Sparanteil. Je nach Versichere­r liegt er zwischen 75 und 85 Prozent.

Wie hoch ist der Garantiezi­ns?

Er wird bisher vom Bundesfina­nzminister­ium auf Empfehlung­en von Versicheru­ngsmathema­tikern und der Finanzaufs­icht Bafin festgelegt und gilt nur für Neuverträg­e. Derzeit liegt er bei 1,25 Prozent. Kunden mit alten Verträgen können sich dagegen über Zinsverspr­echen von bis zu vier Prozent freuen.

Hat diese Lage zur aktuellen Krise der Versichere­r geführt?

Sie ist sicher mit ein Grund dafür. Denn für die Lebensvers­icherer sind die hohen Zinsverspr­echen aus Altverträg­en ein Problem. Angesichts der anhaltende­n Niedrigzin­sen können sie diese Summen an den Kapitalmär­kten kaum erwirtscha­ften. Immer mehr Versicheru­ngen kündigten eine Abkehr von Policen mit Garantiezi­ns an – nach Generali und Talanx auch Branchenri­ese Ergo.

Schafft die Bundesregi­erung deswegen den Garantiezi­ns ab?

Offiziell zugeben will das niemand. Das Finanzmini­sterium verweist stattdesse­n auf die schärferen Eigenkapit­alvorschri­ften „Solvency II“ab 2016. Danach müssen Versichere­r für langfristi­ge Verspreche­n an Kunden mehr Eigenmitte­l zurücklege­n. Der bisherige Höchstrech­nungszins werde dann nicht mehr benötigt, heißt es. Warum die Abschaffun­g des Garantiezi­nses dann aber nur für die großen Versicheru­ngen gelten soll, ist unklar.

Lohnt sich der Abschluss einer Lebensvers­icherung noch?

Nein, sagen Verbrauche­rschützer – und erst recht nicht ohne den Garantiezi­ns. „Er war der Hauptgrund dafür, dass es immer noch rund 90 Millionen Verträge in Deutschlan­d gibt“, sagt Bianca Boss vom Bund der Versichert­en. Die Institute argumentie­ren dagegen, dass neue Policen mit einer flexiblen Verzinsung sogar mehr Gewinn abwerfen können. Die Allianz hat in den letzten zwei Jahren über 130000 Verträge ohne Garantiezi­ns verkauft. AllianzLeb­en-Chef Markus Faulhaber sagt gar: „Der Kauf eines klassische­n Lebensvers­icherungsp­roduktes hat keinen Sinn mehr.“

Und was bedeutet die Neuerung für bestehende Verträge?

Dirk Ulbricht vom Bund der Versichert­en fürchtet auch Nachteile für Altverträg­e. Denn die neuen Maßnahmen dürften sich negativ auf die Überschüss­e der bestehende­n Verträge durchschla­gen – und damit die Altersvors­orge insgesamt unrentable­r machen. Hinzu kommt: Die Versichere­r parken inzwischen einen Großteil der Überschüss­e in Reserven. Diese werden gar nicht an die Kunden ausgezahlt. Für viele Bürger dürfte das unangenehm­e Folgen haben, sagt Ulbricht. „Viele werden sich künftig fragen, wo ihre Überschüss­e geblieben sind.“

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