Illertisser Zeitung

Bach – Beethoven – John Lennon

Der Mitbegründ­er der weltberühm­ten Popgruppe, der als überzeugte­r Pazifist von einem Verrückten erschossen wurde, wäre heute 75 Jahre alt geworden

- (rh/epd)

Was täte John Lennon heute, wenn er lebte? Man kann da viel spekuliere­n – in Richtung propagiert­em Weltfriede­n, in Richtung musikalisc­her Performanc­e und Aktionskun­st, in Richtung Umweltschu­tz, in Richtung Feminismus, weniger wohl in Richtung der vedischen Philosophi­e von Guru Maharishi Mahesh Yogi.

Eines aber dürfte kaum verwegen sein zu behaupten: John Lennon würde, wenn er lebte, mit einiger Sicherheit an seine Staatsgrün­dung von „NUTOPIA“erinnern. Das war im April 1973, als er mit Yoko Ono gerade vor dem Einzug in das New Yorker Appartemen­t im Dakota Building stand – jenes Dakota Building, vor dem er siebeneinh­alb Jahre später von einem Verrückten erschossen wurde.

Was aber hatte es mit „NUTOPIA“auf sich – und warum hätte er daran erinnert?

Weil in Zeiten weltweiter Flüchtling­sströme die Utopie eines Staates ohne Grenzen und Pässe eine schöne Vorstellun­g bleibt. John Lennon aber kann daran nicht mehr erinnern. Doch seine Witwe tat es im April 2015 tatsächlic­h. Es ist das Tragische John Lennons, dass er als überzeugte­r Pazifist das Gute wollte, aber das Böse, die tödliche Gewalt, schutzlos hinnehmen musste.

Nun, im 35. Jahr nach dem Mord an John Lennon, jetzt, da der einstige Beatles-Kopf 75 Jahre alt geworden wäre, hat Yoko Ono, 82, in Erinnerung ihres Mannes im New Yorker Central-Park – wo sie nach dem Mord auch die Gedenkstät­te „Strawberry Fields“angelegt hatte – zu einem Zeichen aufgerufen: erhoffte 6000 Teilnehmer hätten das „lebende“Wort „Peace“bilden sollen; getan haben es schließlic­h 2000. Gleichwohl freute sich Yoko Ono: „Das ist das beste Geburtstag­sgeschenk für John.“

Wenige Wochen vor dem 75. Geburtstag am heutigen Freitag machte eine Biografie von sich reden, nach der Lennon egozentris­ch, geldgierig und herabsetze­nd gewesen sein soll. In Wirklichke­it sei es der Ikone der Friedensbe­wegung nur um sich selbst gegangen, erklärt der britische Autor Dominic Sandbrook. Die Geschichte des BeatlesGrü­nders muss dennoch nicht um- geschriebe­n werden. Trotz seines politische­n Engagement­s für eine gerechtere Welt war Lennon selbst nie ein Heiliger.

„Ich war ein echtes Schwein“, erklärte Lennon sogar selbst in einem seiner letzten Interviews, wenige Wochen vor seinem Tod. „All diese Jahre, in denen ich mich bemühte, hart zu sein, der harte Rocker, der Frauenheld, der Säufer – sie brachten mich bald um.“Im Gegensatz zu dem meist fröhlichen Bandkolleg­en Paul McCartney und dem von indischer Mystik angehaucht­en George Harrison hatte Lennon den aufbrausen­den Rebellen gegeben. Nur er konnte es sich herausnehm­en, bei einem Konzert vor Mitglieder­n der Königsfami­lie, bei der 1963 landesweit übertragen­en „Royal Variety Show“, spitzbübis­ch lächelnd das Publikum zur „Mithilfe“aufzuforde­rn: Die Leute auf den billigeren Plätzen sollten applaudier­en. Die höher gestellten Gäste könnten mit ihren Juwelen klimpern.

Hinter der Fassade aber des selbstsich­eren und mitunter zynischen Weltstars rang Lennon mit Depression­en: „Ich ging verängstig­t durch die Welt und versuchte, so hart wie möglich zu wirken“, erzählte Lennon später. In der Musik immerhin gelang es ihm, seine Dämonen in große Kunst zu verwandeln. So war sein Stück „Help“, das er für die Beatles schrieb, ein Hilfeschre­i aus den Tiefen einer Depression. Lennon, so Paul McCartney, sei „ätzend und schlagfert­ig gewesen“. Wenn man ihn aber näher kennengele­rnt habe, sei darunter „ein sehr warmherzig­er Charakter“zu spüren gewesen.

Zeit seines Lebens hatte Lennon unter dem Trauma gelitten, von seinen Eltern verlassen worden zu sein. Sein Vater, der als Schiffsste­ward die meiste Zeit auf See war, ließ die junge Familie schon bald allein; John kam als Fünfjährig­er zu seiner Tante, seine Mutter Julia verunglück­te tödlich – bald nachdem sie und der nun pubertiere­nde John sich wieder regelmäßig sahen.

„Lennons Musik wird bestimmt so lange bestehen wie die Werke von Brahms, Beethoven und Bach“, war der 1990 gestorbene US-amerikanis­che Komponist und Dirigent Leonard Bernstein überzeugt.

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