Die Leichtigkeit des Seins
Andreas Wellinger will beim Weltcup in Oberstdorf seine gute Form bestätigen
Da war er wieder, der strahlende, der lässige Andreas Wellinger. Nach dem zweiten Weltcup-Sieg seiner Karriere vor einer Woche in Willingen stand der 21-Jährige im Zielraum, reckte die Hände nach oben und hatte dieses jugendlich-freche Grinsen im Gesicht, mit dem er vor vier Jahren bei seiner Premiere im Kreis der Besten als Teenager die Herzen der (meist weiblichen) Skisprungfans eroberte.
Wellinger war gerade einmal 17, als er zu seinem ersten WeltcupEinsatz kam, im gleichen Jahr folgten die ersten Podestplätze, 2014 in Wisła/Polen der erste ganz große Sieg und Olympia-Gold mit dem Team in Sotschi. Wellinger wurde als riesiges Talent gefeiert. Als einer, der recht bald in die Fußstapfen eines Ausnahmespringers wie Martin Schmitt treten würde. Die Skisprungwelt lag ihm zu Füßen. Auch wegen seines sonnigen Gemüts. Es schien, als würde Wellinger die Leichtigkeit des Seins reichen, um weit zu springen. Bis zum 29. November 2014. Dem Tag, an dem diese Leichtigkeit von einer Sekunde auf die andere abhandengekommen war.
Er stürzte im finnischen Kuusamo schwer, überschlug sich in der Luft und knallte mit dem Rücken auf den Boden. Die Schulter war arg lädiert. Es folgten Operation, Reha und eine lange sportliche Durststrecke. Drei Jahre musste Wellinger um jeden Meter hart kämpfen, drei Jahre sprang er zum Teil weit hinterher. In den vergangenen Wochen ist der 21-Jährige immer besser in Schuss gekommen und springt mittlerweile wieder auf einem hohen Niveau. Seine Weltcup-Ergebnisse im Januar untermauern das: Vier Wettbewerbe hat Wellinger bestritten, dreimal stand er auf dem Podest. „Ich habe auf der Schanze ein extrem gutes Gefühl. Man merkt, dass es konstant nach vorne geht“, meint Wellinger. Das Selbstvertrauen könnte derzeit nicht größer sein.
Und eben genau solches Selbstvertrauen braucht es auch, um am Wochenende beim Skifliegen in Oberstdorf (Samstag ab 16 Uhr, Sonntag ab 15 Uhr) die gute Form bestätigen zu können. Auch wenn Wellinger eigentlich nicht zu den Überfliegern unter den Springern zählt. Seine persönliche Bestweite lag bis gestern Abend bei 218 Metern, weit entfernt von den 251,5 Metern, die der Norweger Anders Fannemel bei seinem Weltrekord geflogen ist. Wellinger hatte sich vorgenommen, seine Bestmarke in Oberstdorf unbedingt zu verbessern. „In der aktuellen Form und mit dem Flugsystem, das ich gerade habe, kann ich auch beim Skifliegen einen Entwicklungsschritt machen. Ich freue mich drauf“, sagt der Oberbayer.
Er hat es auf der umgebauten Schanze im Allgäu schon mit einem der ersten Versuche geschafft: In der Qualifikation kam er auf 219 Meter. Persönlicher Rekord! Und es war zudem die zweitgrößte Weite des Tages – nur zwei Meter weniger als Quali-Sieger Peter Prevc.