Illertisser Zeitung

Was für verletzte Seelen getan wird

Auf der Flucht haben viele Menschen Entsetzlic­hes erlitten. Für sie gibt es im Landkreis Neu-Ulm bald spezielle Hilfe

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Griechenla­nd.

Die kleine Familie lebt in einer Gemeinscha­ftsunterku­nft. Der Sechsjähri­ge spricht nach ein paar Monaten hier inzwischen recht gut deutsch, geht in den Kindergart­en und ist ein aufgeweckt­er, intelligen­ter Bub. Manchmal allerdings wird die Last durch das Erlebte zu groß für ihn. Er wird dann sehr unruhig und zappelig, kann nicht mehr gut zuhören und wird wegen Kleinigkei­ten so wütend und aggressiv, dass die anderen Kinder nicht mehr mit ihm spielen wollen und Angst vor ihm haben. Nur schwer lässt er sich dann beruhigen, was die Erzieherin­nen oft an ihre Grenzen bringt.

Wie sich später herausstel­lt, sitzt die Familie während ihrer Flucht in einem Boot, das kentert. Einige Mitinsasse­n sterben bei dem Unglück. Hunger, Durst und Angst sind ständige Begleiter, die Tren- nung vom Vater und dem Rest der Großfamili­e ist schlimm für den Buben.

Für solche Fälle gibt es künftig in den Landkreise­n Neu-Ulm und Günzburg die Traumabera­tung und -begleitung der Kinder- und Jugendhilf­e Günzburg/Neu-Ulm. „Das hat bislang bei uns gefehlt“, sagt Artur Geis, der Leiter der Einrichtun­g. Am 1. März startet das Projekt. Hauptförde­rer ist die Akti- on Mensch. Die Hilfsorgan­isation steuert für den Zeitraum von drei Jahren 70 Prozent der Gesamtkost­en bei, die voraussich­tlich bei rund 250 000 Euro liegen werden. Den Rest übernimmt die Katholisch­e Jugendfürs­orge (KJF) der Diözese Augsburg, die Trägerin der Kinderund Jugendhilf­e ist. Mit Lujaina Toumeh und Silvia Schreiner-Metzele teilen sich zwei Fachberate­rinnen die auf 39 Stunden befristete Stelle. Toumeh hat bereits in Syrien für die Caritas gearbeitet. Für Geis ist das „ein Glücksfall“. Sprachlich­e Barrieren entstehen so erst gar nicht. Und die Expertin kennt auch die kulturelle­n Hintergrün­de vieler Menschen, die vor ihr sitzen.

Das neue Angebot gilt für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene gleicherma­ßen. Damit, sagt Psychologe Geis, werde eine Lücke geschlosse­n. Denn viele Flüchtling­e kämen mit traumatisc­hen Erfahrunge­n als Folge von Folter, Vergewalti­gung und Vertreibun­g nach Deutschlan­d – die Mehrheit im Familienve­rband. Darunter befänden sich 90 Prozent aller Flüchtling­skinder.

„Leider stehen den meisten Familien nicht die Jugendhilf­emaßnahmen zur Verfügung wie den unbegleite­ten minderjähr­igen Flüchtling­en“, steht in dem neuen Informatio­nsblatt über die Traumabera­tung. Das ist nun in der Region Günzburg/Neu-Ulm ab dem kommenden Monat nicht mehr so.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Artur Geis hat sich bei der Aktion Mensch mit einem innovative­n Projekt beworben und den Zuschlag erhalten.

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