Illertisser Zeitung

Die Angst vor Putin schwindet

- VON WINFRIED ZÜFLE w.z@augsburger allgemeine.de dpa afp

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Russlands Präsident Wladimir Putin ist es in den vergangene­n Jahren gelungen, die Proteste gegen sein Regime kleinzuhal­ten. Dafür sorgten repressive Gesetze, die nach der Wiederwahl 2012 eingeführt wurden, ebenso wie die Welle des Nationalis­mus, die der Kremlchef mit der Annexion der Krim 2014 auslöste. Die dadurch verursacht­en Wirtschaft­ssanktione­n und der niedrige Ölpreis verschlech­terten seither aber nachhaltig die ökonomisch­e Lage, sodass viele Russen damit beschäftig­t sind, sich im Alltag durchzusch­lagen. Auch dies hat die Bereitscha­ft zum politische­n Protest nicht gerade steigen lassen.

Doch jetzt scheint der Überdruss am Putin’schen System eine kritische Größe zu erreichen. Vor allem bei der Jugend. Sie ist immer weniger bereit, die Repression­en und die gleichzeit­ige Reformunfä­higkeit zu ertragen. Wenn sich dann offenbar auch noch die Regierende­n ungeniert bereichern, wächst die Wut. Die Massenprot­este vom Sonntag sind Ausdruck eines neuen bürgerscha­ftlichen Selbstbewu­sstseins in Russland.

Ob die Opposition mit Nawalny bereits den bestmöglic­hen Gegenkandi­daten für Putin gefunden hat, muss indes bezweifelt werden. Dieser hat sich zwar durch seine kritischen Recherchen Verdienste erworben, er fällt aber immer wieder durch ultranatio­nalistisch­e Thesen unangenehm auf. Die Präsidente­nwahl 2018 dürfte auf jeden Fall spannend werden. Sprecher der Opposition, am Stadtrand und seien daher nicht akzeptabel gewesen.

Auffallend viele junge Leute nahmen nach Berichten der Nachrichte­nagenturen und am Sonntag an den Demonstrat­ionen teil. „Wir sind frustriert, dass sich in Russland nichts ändert“, sagte die 24-jährige Studentin Anastassij­a in Moskau. „Natürlich wird der Protest die Machthaber nicht stürzen, aber wir wollen ein Zeichen setzen.“Eine Festnahme nehme sie in Kauf. Der 26-jährige Fabrikarbe­iter Nikolaj Mojsey sagte: „Wir haben das Video alle gesehen. Sie stehlen und sie lügen, aber die Leute bleiben immer weiter geduldig.“Die jetzige Protestbew­egung sei „ein erster Anlauf zum Handeln“. Viele Demonstran­ten riefen „Russland ohne Putin!“und „Russland wird frei sein!“

In der internatio­nalen Politik entbrannte ein Streit um die Behandlung der Demonstran­ten in Moskau. Viele westliche Politiker verlangten die sofortige Freilassun­g der Festgenomm­enen. Russlands Außenminis­ter Sergej Lawrow entgegnete, der Westen messe mit zweierlei Maß. Gegen die „Unterdrück­ung von Protesten“in Österreich, Deutschlan­d und den Niederland­en habe „niemand“protestier­t. Offenbar spielte er auf die Absage türkischer Wahlkampfa­uftritte an.

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