Das Geschäft mit der Gastfreundschaft
Über Airbnb vermieten Einheimische ihr Zuhause an Reisende. Die Idee des Teilens rückt immer mehr in den Hintergrund. Mancher nutzt die Plattform ausschließlich kommerziell
Das Zimmer ist gemütlich. Bücher und Krimskrams stehen in den Regalen. Fotos zeigen, wer hier normalerweise lebt. Über das Internetportal Airbnb vermieten immer mehr Menschen einzelne Zimmer oder ihr ganzes Zuhause an Reisende. Das Portal verspricht zusätzlich zur authentischen Übernachtung Tipps von Einheimischen, die dabei helfen, Ort, Kultur und Lebensart kennenzulernen.
„Menschen teilen bei uns etwas ganz Persönliches – ihr Zuhause“, sagt ein Sprecher von Airbnb Deutschland. Die Idee ist so neu nicht. Aber das Internet hat die einst geografischen Grenzen gesprengt. Plattformen wie Airbnb vernetzen Menschen aus aller Welt. Der Blick auf die zahlreichen Angebote zeigt allerdings: Mancher macht aus dem ursprünglichen Sharing-Gedanken (von „to share“= teilen) ein Geschäft und nutzt das Portal ausschließlich kommerziell. So gibt es immer wieder Kritik, weil Woh- leer stehen und nicht regulär vermietet werden. Denn wenn ein Wohnungseigentümer an viele Touristen vermietet, verdient er deutlich mehr Geld als mit Langzeitmietern. Damit entgehen Städten nicht nur Hotelsteuern. In Großstädten wie Berlin, München oder New York verschärft diese Praxis auch die Wohnungsnot.
Der Unternehmenssprecher wiegelt ab: Airbnb gehe es um „authentische Reiseerfahrungen“. Ein Großteil der Gastgeber seien Privatpersonen. In Ferienregionen unterstütze das Portal aber auch traditionelle Übernachtungsbetriebe, die eben Authentizität statt Anonymität anbieten. Auch für Gregor Dorsch schließen sich der Sharing-Gedanke und kommerzielle Nutzung nicht aus. In Landsberg stellt er Reisenden das Untergeschoss seines Hauses zur Verfügung, das seine Familie nicht selbst nutzt. „Natürlich ist mir die zusätzliche Einnahmequelle willkommen“, sagt der Vermieter. Wichtiger sei ihm aber die AirbnbKultur. Dorsch freut sich über inte- ressante Gäste und Gespräche. Wenn er selbst etwa auf Geschäftsreise ist, sucht er nach Persönlichkeit und einem Gefühl von Zuhause. „Mir gefällt auch der Umgang mit einander. Als Hotelgast hat man vor allem Forderungen. Bei Airbnb ist es eher ein Geben und Nehmen.“Denn auf der Plattform geben sich Vermieter und Nutzer gegenseitig Bewertungen. „Das System funktioniert für mich bislang gut“, fügt der Landsberger hinzu.
Entstanden ist die Idee zu dem Portal vor neun Jahren während einer Designmesse im kalifornischen Silicon Valley. Die Gründer Brian Chesky und Joe Gebbia boten ihre Wohnung als Übernachtungsmöglichkeit an: mit einer Luftmatratze und einem selbst gemachten Frühstück. Daher auch der Name des Unternehmens, eine Abkürzung des englischen „Airbed-and-Breakfast“. Die Idee einer globalen Gastfreundschaft, die Geborgenheit in einer unbekannten neuen Umgebung verspricht, hat sich allerdings längst in ein lukratives Geschäftsnungen modell verwandelt. Auf dem Portal finden sich Unternehmensangaben zufolge inzwischen über drei Millionen Unterkünfte in über 190 Ländern. Derzeit wird der Wert des Unternehmens auf rund 30 Milliarden Dollar geschätzt, gut sieben Milliarden Dollar mehr als Hilton, die wertvollste Hotelkette. Airbnb ist damit ein „Unicorn“(Einhorn), wie Unternehmen genannt werden, die mehr als eine Milliarde wert sind, ohne an der Börse notiert zu werden. Dieser Erfolg ist nicht nur privaten Vermietern zu verdanken. Rund ein Drittel der Erlöse, so Kritiker, würden von Vermietern erwirtschaftet, die mehr als eine Wohnung anbieten. Dies zeige, dass es sich um gewerbliche Hotelkonkurrenz handele. Tatsächlich geht es bei Airbnb kaum noch um Couchsurfing und Gastfreundschaft. Im Angebot dominieren routiniert vermarktete Apartments und Ferienwohnungen. Wer will, kann auf der Plattform auch ganze Häuser finden und sogar ausgesprochene Luxusimmobilien. Auf lange Sicht könnte Airbnb zum Komplettmakler von Reisedienstleistungen werden – von der Flugsuche bis zum Mietwagen. Schon jetzt bietet die Plattform unter dem Label „Trips“„Experiences“, „Places“und „Homes“. Die letzte Kategorie enthält das bisherige Airbnb-Angebot. Unter „Places“bieten Nutzer etwa Insider-Reiseführer oder Audio-Touren. Die spannendste Neuerung ist „Experiences“– hier können Erlebnisse gebucht werden wie Salsa tanzen in Los Angeles oder Trüffeln suchen in der Toskana.
Die Hoteliers sehen das scheinbar grenzenlose Wachstum mit Misstrauen und bemängeln, dass die Plattform konkurrenzlos günstige Preise anbieten kann, weil sie Hotelkriterien umgeht. So etwa den strengen Brandschutz. Der AirbnbSprecher sieht das naturgemäß anders: „Das Gastgewerbe ist ein Markt, in dem es genug Platz für unterschiedliche Akteure gibt“, argumentiert er. „Wir ergänzen die bestehende Tourismusbranche im Interesse der Verbraucher.“