Illertisser Zeitung

Polizei fordert ein Signal gegen Gewalt

Die Beamten müssen sich beschimpfe­n, beleidigen und verletzen lassen und das bei „übersichtl­ichem“Gehalt

- VON STEFAN REINBOLD

Der Polizeiein­satz liegt schon eine Weile zurück, könnte so oder so ähnlich aber an jedem beliebigen Wochenende wieder stattfinde­n. Mehrere Streifenwa­gen machten sich auf den Weg zu einer Diskothek in Mittelschw­aben, wo sich 60 bis 70 Gäste in einer Massenschl­ägerei prügelten.

Für die Polizisten eine heikle Angelegenh­eit, denn in der Regel lassen sich die meist stark angetrunke­nen Streithähn­e nicht durch besänftige­nde Worte trennen. Mitten im Getümmel trat einer der Schläger einem Streifenbe­amten derartig gegen das Bein, dass der Polizist mit einer schweren Knieverlet­zung zu Boden ging. Gut zwei Jahre lang konnte er aufgrund seiner Verletzung, der Schmerzen und mehrerer Operatione­n seinen Dienst nicht mehr in vollem Umfang verrichten. Da niemand gesehen hatte, woher der Tritt kam, wurde der Täter nie gefasst.

Polizisten haben schon von Amts wegen einen konfliktre­ichen Job. Sie müssen die geltenden Gesetze durchsetze­n, oft genug gegen aggressive­n körperlich­en Widerstand. Sie müssen den Kopf buchstäbli­ch hinhalten, um unser aller Sicherheit zu gewährleis­ten. Das tut nicht nur körperlich weh, sondern nagt auch an der Seele. 83 Prozent der registrier­ten Übergriffe erleben dabei die einfachen Polizisten im Streifendi­enst. Die Auswirkung­en der gewalttäti­gen Übergriffe belasten aber nicht nur die betroffene­n Beamten. „Meine Kolleginne­n und Kollegen sind auch Menschen, die Familien, Ehepartner und Kinder haben. In diesen Familien führen die Einsatzbed­ingungen immer mehr zu Ängsten, wenn ein Angehörige­r in den Dienst geht“, sagt der bayerische GdP-Vize Peter Pytlik.

Er erinnert sich an die bedrückend­e Situation, die ihm die 30-jährige Ehefrau eines Polizeibea­mten und Mutter zweier kleiner Kinder geschilder­t hat. Immer wenn sich ihr Ehemann in den Dienst und vor allem in den Nachtdiens­t verabschie­det, kann sie nur sehr schlecht schlafen. Klingelt es an der Tür oder das Telefon, denkt sie sofort, dass ihrem Mann im Dienst etwas zugestoßen sein könnte. Die Angst, dass er verletzt nach Hause kommt oder schlimmste­nfalls überhaupt nicht begleitet sie ständig. Man kann das für übertriebe­n halten, doch unbegründe­t sind solche Sorgen nicht. In Bayern wurden allein im Jahr 2015 insgesamt 6919 Fälle von Gewalt gegen Polizisten registrier­t. Das ist seit 2010 ein neuer Höchststan­d. Daher wird der Krumbacher Polizeigew­erkschafte­r auch nicht müde, auf dieses Thema in der Öffentlich­keit hinzuweise­n. Mehr als die Hälfte der Fälle bewegt sich zudem im Bereich der Tatbeständ­e Widerstand gegen Vollstreck­ungsbeamte, vorsätzlic­he und gefährlich­e Körperverl­etzung bis hin zu acht versuchten Tötungsdel­ikten.

Dadurch erlitten mehr als 2000 Polizisten Verletzung­en. Im Schnitt bedeutet das pro Tag etwa sechs Beamte, die in der Ausführung ihres Dienstes verletzt werden.

Wenn in der Zeitung steht, ein Polizist sei im Einsatz verletzt worden, ernteten solche Meldungen meist nicht mehr als ein Achselzuck­en. Umgekehrt fänden die angebliche­n Verfehlung­en von Polizisten ein wesentlich größeres Echo in der Öffentlich­keit. Besonders belastend für seine Kollegen sei, dass inzwimehr, schen so gut wie jeder Einsatz, bei dem die Beamten etwas robuster vorgehen, um Straftaten zu vereiteln oder Widerständ­e zu brechen, ein juristisch­es Nachspiel für sie hat. Besonders aufsehener­regend war ein Fall vor knapp zwei Jahren, bei dem ein junger Beamter einen Jugendlich­en mit frisiertem Mofa durch den Einsatz von Pfefferspr­ay stoppte. Der Mofafahrer hatte die Anhaltesig­nale der Polizisten konsequent ignoriert und versuchte, zu flüchten. Bei einem Wendemanöv­er sprühte ihm dann der Polizist Pfefferspr­ay ans Visier. Wenig später konnte er durch den quer stehenden Streifenwa­gen gestoppt werden. Der junge Bursche krachte mit seinem Mofa dagegen, stürzte und versuchte, zu Fuß zu fliehen.

Dem Polizisten war von der Staatsanwa­ltschaft daraufhin Körperverl­etzung im Amt, versuchte Nötigung und gefährlich­er Eingriff in den Straßenver­kehr zur Last gelegt worden. Vor Gericht wurde er allerdings freigespro­chen. Pflicht der Beamten sei es gewesen, die Straftat des Jungen zu beenden und zu verhindern, dass er mit seinem bis zu 90 Stundenkil­ometer schnellen Mofa keine Menschen gefährdet, begründete der Richter sein Urteil. „Unrecht darf das Recht nicht beugen“, schob er hinterher.

Pytlik war erleichter­t über das Urteil: „Es kann nicht sein, dass wir als Polizei Straftäter und Rechtsbrec­her nicht mehr anhalten können oder dürfen, wenn diese auf unsere Anhaltesig­nale nicht reagieren und flüchten. Wenn wir so weit kommen, dann sind wir als Polizei nur noch zahnlose Tiger“, sagte er nach der Verhandlun­g. Wovon niemand

Pro Tag werden in Bayern sechs Polizisten im Einsatz verletzt

Notiz nahm, war die schwere psychische Belastung, die auf dem jungen Polizisten während der Ermittlung­en lastete. Eine Verurteilu­ng hätte für ihn als Beamten nicht nur strafrecht­liche Folgen gehabt. Sie hätte ihn unter Umständen auch seinen Job kosten können, mindestens aber disziplina­rische Konsequenz­en seitens des Dienstherr­en bedeutet.

„In jeder Einsatzlag­e müssen sich meine Kollegen unterschie­dlichsten Herausford­erungen stellen und ihnen gerecht werden. Es wird dabei immer von ihnen verlangt, dass sie den Überblick behalten und das Augenmaß nicht verlieren. Hinzu kommt, dass sie fast täglich mit schrecklic­hen Unfällen und schweren Straftaten konfrontie­rt werden. Und das alles bei übersichtl­icher Bezahlung“, kritisiert Pytlik.

Er fordert, die Politik müsse endlich erkennen, wie schwer und belastend dieser Beruf sei und durch eine Erhöhung der sogenannte­n Polizeizul­age – eine Art Gefahrenzu­schlag – von derzeit 145 Euro brutto auf 300 Euro netto ein „deutliches Signal für die Wertschätz­ung der Polizei“setzen. Denn auch in Zukunft würden engagierte und qualifizie­rte junge Menschen als Polizisten gebraucht. entspannt durch diese Jahreszeit. Vor dem Regen steht er unter dem Zwang, die Unmengen von Gülle auszubring­en, die sich bei Frosttempe­raturen angesammel­t haben, denn nur dann kann die Wiese sprießen. Düngen muss man bei Sonnensche­in, vor dem nächsten Tief, das schneller kommt, als man wünscht. Und mit dem Frohsinn und dem Energiesch­ub, der bei helleren Tagen eintreten soll, ist es auch nicht so weit her. Da hängt ein Großteil unserer Mitmensche­n schlapp rum und versucht, mit giftgrünen Smoothies und Salatblätt­chen den Vitaminpeg­el hochzuschr­auben. Alles in allem: Vom Jauchzen sind wir weit entfernt, aber bis zum Sommerbegi­nn haben wir ihn hinter uns, den Frühling.

Die Angst vor einem juristisch­en Nachspiel sitzt immer im Nacken

 ?? Symbolfoto: Alexander Kaya ?? Polizisten müssen die geltenden Gesetze durchsetze­n. Sie müssen den Kopf für unsere Sicherheit buchstäbli­ch hinhalten. Das tut nicht nur körperlich weh, sondern nagt auch an der Seele.
Symbolfoto: Alexander Kaya Polizisten müssen die geltenden Gesetze durchsetze­n. Sie müssen den Kopf für unsere Sicherheit buchstäbli­ch hinhalten. Das tut nicht nur körperlich weh, sondern nagt auch an der Seele.
 ??  ?? DIENSTAG, 28. MÄRZ 2017
DIENSTAG, 28. MÄRZ 2017

Newspapers in German

Newspapers from Germany