Illertisser Zeitung

Eine Mannschaft zum Knutschen

Über eine Ulmer Meistersch­aft reden nur andere. Dabei waren die Chancen nie so groß und sie werden es vielleicht auf absehbare Zeit auch nicht mehr sein

- VON PIT MEIER

Die 79:84-Niederlage im Gipfeltref­fen der Basketball-Bundesliga war im Prinzip überaus ärgerlich für Andrea Trinchieri. Aber sie lieferte dem Trainer der Brose-Baskets zumindest einen willkommen­en Anlass, endlich die Rolle abzugeben, die seit Jahren an den Bambergern klebt wie ein alter Kaugummi am Schuh. Nach dem Spiel behauptete Trinchieri: „Jetzt sind die Ulmer natürlich Favorit auf den Meistertit­el.“Der Ulmer Manager Thomas Stoll konterte diese Aussage schmunzeln­d: „Er ist halt ein lustiger Italiener und wollte mal ein Späßchen machen.“

Dabei war Trinchieri ganz sicher nicht zu Scherzen aufgelegt nach der ersten Bamberger Heimnieder­lage gegen eine deutsche Mannschaft nach zuvor 37 Siegen am Stück und den daraus resultiere­nden Folgen: Sechs Punkte Vorsprung für den ungeschlag­enen Tabellenfü­hrer Ulm und der bessere Direktverg­leich, Platz eins nach der Hauptrunde und das Heimrecht bis in die Finalserie der Play-offs sind damit so gut wie gebucht. Die Fachwelt verneigt sich tief vor den Ulmern, die in dieser Saison zudem mit sehr hoher Wahrschein­lichkeit die wichtigste­n individuel­len Titel abräumen werden. Bei der Wahl zum Trainer des Jahres ist Thorsten Leibenath haushoher Favorit, zum wertvollst­en Spieler der Bundesliga werden seine Kollegen und die Fachjourna­listen mit hoher Wahrschein­lichkeit Raymar Morgan küren. Dessen größter Konkurrent kommt aus dem eigenen Verein und er heißt Chris Babb.

Auch der mediale Hype um die Überraschu­ngsmannsch­aft dieser Saison nimmt zu. Die Telekom als übertragen­den Sender ist sich völlig einig mit Trinchieri und titelt: „Die BBL hat einen neuen Titelfavor­iten.“Im Ulmer Lager wird das Thema Meistersch­aft dagegen nach wie vor gemieden. Kapitän Per Günther hatte schon unmittelba­r nach dem Husarenstü­ck in der Brose-Arena gesagt, dass Ulm in dieser Saison noch nicht gegen die beste Bamberger Mannschaft gespielt hat. Beim Meister fehlten am Sonntag tatsächlic­h Elias Harris, Janis Strelnieks und Vladimir Veremeenko. Was Günther nicht gesagt hat: Ulm spielt seit Weihnachte­n ohne Tim Ohlbrecht und der Kapitän selbst ist nach seiner Verletzung auch noch nicht wieder in Topform. Und wann soll es denn mit dem ersehnten Titel und der Meisterfei­er auf dem Münsterpla­tz klappen, wenn nicht in dieser Saison? Die Voraussetz­ungen waren noch nie so günstig und sie werden es wohl auf absehbare Zeit auch nicht mehr sein. Im Sommer laufen schließlic­h die Verträge von Morgan und Babb aus. Dann können sich die beiden Ulmer Ausnahmesp­ieler vermutlich einen Euroleague-Verein aussuchen.

Wobei ja nicht auszuschli­eßen ist, dass die Ulmer sich dann selbst als Meister das Monsterpro­gramm in der Königsklas­se antun dürfen oder müssen, das in dieser Saison die Bamberger so sehr schlaucht. Wer hartnäckig bleibt, der kriegt von Thomas Stoll dann doch den einen oder anderen Satz zum M(eisterscha­fts)-Thema. Die Euroleague jedenfalls wäre für den Ulmer Manager eine Belohnung für die überragend­en Leistungen: „Die Spiele gegen die besten Teams in Europa hätten sich die Fans und unsere Mannschaft dann redlich verdient.“

Restprogra­mm der großen Drei

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Foto: Imago/Zink Die Ulmer Fans lieben Raymar Morgan und der liebt die Ulmer Fans. Trotzdem ist überaus fraglich, ob der derzeit beste Spieler der Basketball Bundesliga nach dieser Saison gehalten werden kann.

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