Illertisser Zeitung

Wer bin ich?

Sunny Müller fragt sich immer wieder, warum sie ist, wie sie ist. Und was sie von ihrem Vater geerbt hat. Die 36-Jährige ist eines von 100 000 Kindern, das durch eine anonyme Samenspend­e gezeugt wurde. Jetzt sucht sie nach dem fehlenden Puzzleteil in ihre

- VON ANTJE HILDEBRAND­T

Es gibt Momente, da fragt sich Sunny Müller, wer sie eigentlich ist. Es passiert ihr, wenn sie vor dem Spiegel steht und ihr Gesicht betrachtet. Es ist rund, die Haut blass und die Augen so groß wie die einer Puppe. Es ist das Gesicht ihrer Mutter Sabine. Damit sind die Gemeinsamk­eiten aber auch schon erschöpft. Sabine Savary, 59, sprudelt vor Temperamen­t. Man kann in ihrem Gesicht lesen wie in einem Buch. „Du bist entweder himmelhoch jauchzend oder zu Tode betrübt“, sagt Sunny zu ihrer Mutter. Sie stellt das nüchtern fest. Mit ihren Gefühlen hausieren zu gehen, ist nicht ihre Art. Sunny sagt: „Manchmal frage ich mich: Habe ich das von ihm geerbt?“

Er, das ist der Mann, von dem weder sie noch ihre Mutter wissen, wer er ist, wo er wohnt und was er macht. Und doch ist er immer bei ihnen. Ein Schatten. Ein Phantom. Ein unsichtbar­es Mitglied der Familie. Mit seinem Sperma wurde Sabine Savary im August 1979 befruchtet. Er ist ihr biologisch­er Vater.

Aber wer ist er? Von der Antwort auf die Frage hängt nicht ihr persönlich­es Glück ab, versichert Sunny. Die 36-Jährige würde es nur gerne wissen, um sich selber besser zu verstehen. werde nie vergessen, wie es war, als sie Sunny zum ersten Mal im Arm hielt, 52 Zentimeter groß, 3100 Gramm schwer, eine Handvoll Glück. Ihre Tochter ist der wichtigste Mensch in ihrem Leben.

Die beiden telefonier­en fast täglich. „Mama weiß alles über mich“, sagt Sunny. Selbstvers­tändlich ist das nicht. Das wird ihr bewusst, wenn sie mit anderen Spenderkin­dern redet. Und das tut sie oft, schließlic­h kümmert sie sich im Verein um „die Neuen“.

Die meisten hätten erst als Jugendlich­e erfahren, dass ihr Vater nicht ihr biologisch­er Vater sei. Richtige Dramen spielten sich da in den Familien ab. Denn was macht es mit einem Kind, wenn es erfährt, dass es von den eigenen Eltern jahrelang belogen wurde? „Es ist ein Schock“, sagt Sunny. Ein Vertrauens­bruch, von dem sich nicht alle wieder erholen. Einige brechen den Kontakt zur Familie ab.

Sunny hat Glück gehabt. Sie war zehn, als ihre Eltern ihr erzählten, dass Albert nicht ihr leiblicher Vater ist. Die Ehe war da längst gescheiter­t. Sunny war ein Jahr, als Sabine ihren Mann verließ. Sie sagt, seine Krankheit habe sie überforder­t. Albert Müller, der 2004 gestorben ist, war kein zuverlässi­ger Vater. Aber wenn es darauf ankam, war er für

Sie sieht aus wie ihre Mutter. Und ist doch ganz anders Kommt die Wahrheit raus, spielen sich oft Dramen ab

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Foto: Antje Hildebrand­t Immer wieder stellt sich Sunny Müller diese Fragen, vor allem, wenn sie sich im Spiegel betrachtet: Wer bin ich eigentlich? Bin ich wie mein Vater? Und wer ist er eigent lich?

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