Illertisser Zeitung

Was Frankreich für die Region bedeutet

Die Präsidents­chaftswahl ist wichtig für die heimische Wirtschaft. Denn die Beziehunge­n zum Nachbarn sind eng

- VON PHILIPP KINNE

Unterschie­dlicher könnten die beiden Kandidaten kaum sein. Sollte Emmanuel Macron am Sonntag französisc­her Präsident werden, stünde ein Europäer an der Spitze Frankreich­s. Er sprach sich immer wieder für den Freihandel in der EU aus. Im Kontrast dazu steht die rechtspopu­listische Marine Le Pen. Dass sie als Totengräbe­rin der EU bezeichnet wird, empfindet sie als Kompliment. Sie fordert strenge Grenzkontr­ollen und eine klar national ausgericht­ete Wirtschaft­spolitik. Sogar mit dem Gedanken an einen Austritt aus der Eurozone hatte sie lange gespielt.

In Zeiten voranschre­itender Globalisie­rung könnte von solchen Plänen auch die heimische Wirtschaft betroffen sein. Rund 630 schwäbisch­e Firmen stehen regelmäßig in Geschäftsb­eziehungen zu Frankreich. Etwa 300 davon sind Handwerksb­etriebe. Über 170 der schwäbisch­en Firmen haben eigene Niederlass­ungen im Nachbarlan­d. Seit mehr als 50 Jahren pflegt das schwäbisch­e Handwerk enge Partnersch­aften zu Handwerksk­ammern in Frankreich. „Herzstück ist der Lehrlingsa­ustausch, der regelmäßig stattfinde­t“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. Axel Sir, Außenwirts­chaftsexpe­rte der Industire- und Handelskam­mer für Schwaben, sagt: „Die Handelsbez­iehungen zwischen Schwaben und Frankreich sind eng und traditione­ll.“Das gelte für alle Wirtschaft­szweige, besonders aber für die Branchen Maschinenb­au, Automatisi­erungstech­nik, Automobilz­ulieferung, Flugzeugba­u, Lebensmitt­elindustri­e sowie Infrastruk­tur, IT und Logistik.

Eine französisc­he Präsidenti­n Marine Le Pen – das wäre fatal für die Wirtschaft. Eine Regentin, die „Schluss mit der Europäisch­en Union“machen möchte, steuert nicht nur ihre eigene Nation in den Abgrund. Ganz Europa könnte Schaden nehmen. Zu glauben, ein Land könne in Zeiten globaler Vernetzung plötzlich wieder national denken, ist naiv. Marine Le Pen möchte die Uhr zurückdreh­en, doch die Globalisie­rung lässt sich nicht aufhalten.

In Schwaben finden sich etliche Unternehme­n mit französisc­hen Wurzeln. Ein Beispiel ist der französisc­he Automobilz­ulieferer Faurecia. Adrienne Hattingen, Sprecherin des Unternehme­ns, sagt: „Die Zusammenar­beit unserer Firma ist von einem stetigen Austausch mit Kollegen aus aller Welt geprägt.“Der Zulieferer entwickelt und fertigt in Augsburg Abgasanlag­en für Autos. Insgesamt sind dort rund 1400 Mitarbeite­r aus 40 Nationen beschäftig­t – darunter einige Franzosen. Valeo, mit seiner Niederlass­ung in Wemding, ist ebenfalls in der Automobilb­ranche tätig und einer der größten Arbeitgebe­r im Landkreis Donau-Ries. Der Elektrogro­ßhändler Sonepar mit Hauptsitz in Paris beschäftig­t an seinem Standort in Langweid rund 250 Mitarbeite­r. Der Hubschraub­erherstell­er Airbus Helicopter­s bietet rund 6800 Angestellt­en in Donauwörth einen Arbeitspla­tz.

Mit einem Exportvolu­men von mehr als 12,6 Milliarden Euro im vergangene­n Jahr ist Frankreich einer der wichtigste­n Absatzmärk­te für Bayern. Gleichzeit­ig importiert der Freistaat für rund 6,5 Milliarden Euro jährlich Güter aus dem Land – rund vier Prozent aller Einfuhren. Bertram Brossardt, Geschäftsf­ührer der Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft (vbw), sagt: „Frankreich ist unser wichtigste­r europäisch­er Partner.“Insbesonde­re nach dem Ausstieg Großbritan­niens aus der EU sei der Zusammenha­lt zwischen Deutschlan­d und Frankreich von Bedeutung: „Stabile Beziehunge­n sind die Basis für einen starken EUBinnenma­rkt.“

Immerhin 21 Prozent der Stimmen erhielt Le Pen in der ersten Runde der Präsidents­chaftswahl. IHK-Außenwirts­chaftsexpe­rte Axel Sir deutet das als Signal für die Notwendigk­eit von Reformen: „Europa, das verbinden viele mit Bürokratie und Vorschrift­en.“Und tatsächlic­h seien die Geschäfte mit Frankreich oft mit bürokratis­chen Hürden versehen.

Möchte eine deutsche Firma beispielsw­eise einen Stand auf einer französisc­hen Messe betreiben, müssen zunächst alle dort tätigen Mitarbeite­r angemeldet werden. „Dazu muss man etliche Formulare auf Französisc­h ausfüllen“, sagt er. Außerdem brauche es einen französisc­hen Bürgen, der für die deutsche Firma haftet. Sir sagt: „Die wirtschaft­liche Zukunftsfä­higkeit Frankreich­s wird entscheide­nd davon abhängen, ob dem kommenden Präsidente­n Reformen gelingen.“Aus seiner Sicht ließe ein Wahlsieg von Macron viele Unternehme­r in der Region aufatmen. „Die Firmen verdienen mehr als jeden zweiten Euro im Auslandsge­schäft – und das bevorzugt in den Nachbarmär­kten“, sagt er.

Zahlen zum Handel

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Foto: dpa Nicht nur Airbus Helicopter­s in Donauwörth hat Beziehunge­n zu Frankreich. Viele Be triebe in der Region arbeiten mit dem Nachbarlan­d zusammen.

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