Keine Gnade für den Öko Spießer
Christian Ehring wirft im Stadthaus einen scharfen satirischen Blick auf die Widersprüche der Wohlstands-Gesellschaft
„Was unterscheidet die Grünen von den anderen Parteien?“, fragt Christian Ehring ins Publikum und antwortet gleich selbst: „Nichts – die gucken nur betroffener.“Und was ist die AfD? „Die ist wie Hämorrhoidensalbe – eklig, aber wenn man ein Arsch ist, freut man sich darüber.“Was Deutschlands derzeit populärster Kabarettist in seinem neuen Programm „Keine weiteren Fragen“auf der Bühne abliefert, ist nichts für zarte Gemüter. Zwei Stunden lang unterhielt der gebürtige Duisburger im restlos ausverkauften Stadthaus die 350 Besucher und sorgte mit seiner kompromisslosen SatireWaffe für Dauerbeschuss.
Gleich zu Beginn schaltet das Publikum aber auf stur, als TV-Star auf der Bühne im eleganten Managergewand alle Anwesenden auffordert, ihre Handys anzuschalten. „Dann sind Sie für mich auf der Bühne sichtbar, wenn ein Anruf kommt und ich kann sie gezielt ansprechen.“Auf den Bluff fallen die Zuschauer nicht rein und sind schon mal amüsiert.
In seinem neuen Soloprogramm mimt Ehring den Öko-Spießer mit Rind und Kind am Stadtrand, der vegane Kinderlieder komponiert und lädt das Publikum ein, dessen Komfortzone des aufgeklärten Spießertums inmitten unruhiger Zeiten zu betreten. Am Anfang erntet das Bühnen-Ich von Christian Ehring freundlichen Applaus, als er sagt: „Ich bin Vater geworden.“Der fiktive Sohn ist aber schon 18 Jahre alt und ein „emotional verwahrloster Wohlstandskrüppel“, der offiziell zwar erwachsen ist, aber nicht weiß, ob er vergleichende Konsolenwissenschaften oder Cannabiskunde studieren soll. Auf jeden Fall will der Vater den Sohnemann zu einem Freiwilligen Sozialen Jahr in die Slums von Buenos Aires schicken. Das sei schick und würde sich bei späteren Bewerbungen positiv auswirken. Dann wäre die vom Sohn im Haus bewohnte Einliegerwohnung für ihn selbst frei. Dort könne er sein Musikstudio einrichten, um vegane Musik zu komponieren und die Texte dazu zu schreiben. „Statt ,Fuchs du hast die Gans gestohlen’ heißt es bei mir frei von tierischen Produkten: ,Schrot, du hast das Korn gestohlen’“, lässt Ehring seine Bühnenfigur sagen. Doch da kommt dem ambitionierten Veganmusiker die Ehefrau in die Quere, die unbedingt einen Flüchtling aufnehmen will. „Es muss ja nicht unbedingt ein syrischer Arzt sein, es reicht auch ein Rechtsanwalt“, sind die Vorstellungen der Gattin. Dieses Flüchtlingsthema ist ein roter Faden im ganzen Programm. Hier spielt er den sozialen Gutmenschen durch, der mit der Diskrepanz zwischen Schein und Sein lebt und es nicht fassen kann, dass der von ihm schließlich ausgesuchte Flüchtling aus Afrika das Wohnungsangebot mit detailliertem Familienanschluss unvorhergesehen ablehnt.
Der Kabarettist unterbricht im Verlauf des Abends im Stadthaus immer wieder seine Monologe mit lakonisch-bissigen Liedern am Klavier, das er auch meisterhaft beherrscht. Dann lässt Ehring seinen Bühnen-Gutmenschen wieder plaudern über seine sportliche Leidenschaft Rückbildungsgymnastik für den Beckenboden oder seine Erkenntnis, dass „eine Katze ökologisch gesehen ein Umweltschwein ist und eine Ökobilanz wie ein VWGolf hat.“Ehring nimmt im Stakkato mit reduzierter Mimik alle aufs Korn und zerpflückt sie gnadenlos:
Auch Waldorf Trullas bekommen ihr Fett weg
Politiker, Makler, Yogalehrer, Walddorf-Trullas, Öko-Freaks, Spießer – nichts ist vor seinem Blick fürs Absurde sicher. Die Bühnenfigur von Ehring steht für „Otto Normalverbraucher“, der sich für tolerant und aufrecht hält, aber das Gegenteil davon ist. Der mehrfache Kleinkunstpreisträger hält das Publikum in Atem mit seinen ironischen, überspitzten Stilmitteln der satirischen Übertreibung. Mitdenken ist oberste Pflicht.
Der Abend mit Christian Ehring war gewiss keine KomfortzonenUnterhaltung. Das kam beim Publikum an, das sich für diese Herausforderung mit heftigem Applaus bedankte.