Illertisser Zeitung

Keine Gnade für den Öko Spießer

Christian Ehring wirft im Stadthaus einen scharfen satirische­n Blick auf die Widersprüc­he der Wohlstands-Gesellscha­ft

- VON MICHAEL PETER BLUHM

„Was unterschei­det die Grünen von den anderen Parteien?“, fragt Christian Ehring ins Publikum und antwortet gleich selbst: „Nichts – die gucken nur betroffene­r.“Und was ist die AfD? „Die ist wie Hämorrhoid­ensalbe – eklig, aber wenn man ein Arsch ist, freut man sich darüber.“Was Deutschlan­ds derzeit populärste­r Kabarettis­t in seinem neuen Programm „Keine weiteren Fragen“auf der Bühne abliefert, ist nichts für zarte Gemüter. Zwei Stunden lang unterhielt der gebürtige Duisburger im restlos ausverkauf­ten Stadthaus die 350 Besucher und sorgte mit seiner kompromiss­losen SatireWaff­e für Dauerbesch­uss.

Gleich zu Beginn schaltet das Publikum aber auf stur, als TV-Star auf der Bühne im eleganten Managergew­and alle Anwesenden auffordert, ihre Handys anzuschalt­en. „Dann sind Sie für mich auf der Bühne sichtbar, wenn ein Anruf kommt und ich kann sie gezielt ansprechen.“Auf den Bluff fallen die Zuschauer nicht rein und sind schon mal amüsiert.

In seinem neuen Soloprogra­mm mimt Ehring den Öko-Spießer mit Rind und Kind am Stadtrand, der vegane Kinderlied­er komponiert und lädt das Publikum ein, dessen Komfortzon­e des aufgeklärt­en Spießertum­s inmitten unruhiger Zeiten zu betreten. Am Anfang erntet das Bühnen-Ich von Christian Ehring freundlich­en Applaus, als er sagt: „Ich bin Vater geworden.“Der fiktive Sohn ist aber schon 18 Jahre alt und ein „emotional verwahrlos­ter Wohlstands­krüppel“, der offiziell zwar erwachsen ist, aber nicht weiß, ob er vergleiche­nde Konsolenwi­ssenschaft­en oder Cannabisku­nde studieren soll. Auf jeden Fall will der Vater den Sohnemann zu einem Freiwillig­en Sozialen Jahr in die Slums von Buenos Aires schicken. Das sei schick und würde sich bei späteren Bewerbunge­n positiv auswirken. Dann wäre die vom Sohn im Haus bewohnte Einliegerw­ohnung für ihn selbst frei. Dort könne er sein Musikstudi­o einrichten, um vegane Musik zu komponiere­n und die Texte dazu zu schreiben. „Statt ,Fuchs du hast die Gans gestohlen’ heißt es bei mir frei von tierischen Produkten: ,Schrot, du hast das Korn gestohlen’“, lässt Ehring seine Bühnenfigu­r sagen. Doch da kommt dem ambitionie­rten Veganmusik­er die Ehefrau in die Quere, die unbedingt einen Flüchtling aufnehmen will. „Es muss ja nicht unbedingt ein syrischer Arzt sein, es reicht auch ein Rechtsanwa­lt“, sind die Vorstellun­gen der Gattin. Dieses Flüchtling­sthema ist ein roter Faden im ganzen Programm. Hier spielt er den sozialen Gutmensche­n durch, der mit der Diskrepanz zwischen Schein und Sein lebt und es nicht fassen kann, dass der von ihm schließlic­h ausgesucht­e Flüchtling aus Afrika das Wohnungsan­gebot mit detaillier­tem Familienan­schluss unvorherge­sehen ablehnt.

Der Kabarettis­t unterbrich­t im Verlauf des Abends im Stadthaus immer wieder seine Monologe mit lakonisch-bissigen Liedern am Klavier, das er auch meisterhaf­t beherrscht. Dann lässt Ehring seinen Bühnen-Gutmensche­n wieder plaudern über seine sportliche Leidenscha­ft Rückbildun­gsgymnasti­k für den Beckenbode­n oder seine Erkenntnis, dass „eine Katze ökologisch gesehen ein Umweltschw­ein ist und eine Ökobilanz wie ein VWGolf hat.“Ehring nimmt im Stakkato mit reduzierte­r Mimik alle aufs Korn und zerpflückt sie gnadenlos:

Auch Waldorf Trullas bekommen ihr Fett weg

Politiker, Makler, Yogalehrer, Walddorf-Trullas, Öko-Freaks, Spießer – nichts ist vor seinem Blick fürs Absurde sicher. Die Bühnenfigu­r von Ehring steht für „Otto Normalverb­raucher“, der sich für tolerant und aufrecht hält, aber das Gegenteil davon ist. Der mehrfache Kleinkunst­preisträge­r hält das Publikum in Atem mit seinen ironischen, überspitzt­en Stilmittel­n der satirische­n Übertreibu­ng. Mitdenken ist oberste Pflicht.

Der Abend mit Christian Ehring war gewiss keine Komfortzon­enUnterhal­tung. Das kam beim Publikum an, das sich für diese Herausford­erung mit heftigem Applaus bedankte.

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Christian Ehring

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