Middelhoff erneut vor Gericht
Zwei Jahre nach seiner Verurteilung muss der Topmanager nun wieder auf die Anklagebank – und das an seinem Geburtstag
Thomas Middelhoff hätte sich seinen 64. Geburtstag sicher schöner vorstellen können. Doch ausgerechnet an diesem Tag musste der frühere Topmanager erneut auf der Anklagebank im Essener Landgericht Platz nehmen. Der Vorwurf: Anstiftung zur Untreue. Das kann mit einer Geldstrafe, aber auch mit Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden.
Middelhoff sagte nicht viel am ersten Verhandlungstag im Gerichtssaal N001. Doch das Wenige genügte, um den tiefen Fall des Managers deutlich zu machen. Noch vor wenigen Jahren galt der 64-Jährige als einer der einflussreichsten Firmenlenker Deutschlands. Doch als der Vorsitzende Richter Edgar Loch nun nach Middelhoffs Wohnort fragte, lautete die knappe Antwort: „Das Gefängnis in Bielefeld momentan.“Und auf die Frage nach dem Familienstand: „Verheiratet, in Scheidung lebend.“Es ist viel kaputtgegangen in den letzten Jahren in Middelhoffs Leben. Das hat Spuren hinterlassen im Gesicht des Managers, aber auch in seinem Auftreten. Verschwunden ist das überschäumende Selbstbewusstsein, stattdessen wirkt der 64-Jährige meist in sich gekehrt. Als ihm ein Journalist eine Frage stellen will, winkt der einst so redselige Manager ab und geht wortlos vorbei.
Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität wirft Middelhoff im Essener Verfahren die Anstiftung zur Untreue vor. Es geht um knapp 2,3 Millionen Euro, die der Aufsichtsrat ihm als damaligem Arcandor-Chef auf sein Drängen hin als Erfolgsprämie zugebilligt haben soll, als er aus der Unternehmensführung ausschied. Das Pikante daran: Wenige Monate später war der Konzern pleite.
Mit auf der Anklagebank sitzen sechs ehemalige Aufsichtsratsmitglieder. Ihnen legt die Staatsanwaltschaft in der 633 Seiten umfassenden Anklageschrift Untreue zur Last: wegen der Erfolgsprämie für Middelhoff, aber auch wegen einer ähnlichen Zahlung an den früheren Finanzvorstand des Konzerns. Die Manager hätten keinen Anspruch auf das Geld gehabt und die Zahlungen hätten für das Unternehmen auch wirtschaftlich keinen Nutzen gebracht, meint die Staatsanwaltschaft. Die Middelhoff-Verteidigerin Anne Wehnert wies den Vorwurf der Anstiftung zur Untreue am ersten Verhandlungstag entschieden zurück. „An der Anklage ist nichts dran. Man rätselt, was Herrn Middelhoff überhaupt vorgeworfen wird“, sagte sie am Rande des Verfahrens.
Bei Thomas Middelhoff dürfte der Besuch im Essener Gerichtsgebäude keine guten Erinnerungen geweckt haben. Erst vor zweieinhalb Jahren wurde er dort in einem spektakulären Prozess wegen Untreue zu drei Jahren Haft verurteilt. Vor fast genau einem Jahr – am 13. Mai 2016 – trat er die Haft an. Middelhoff verbüßt die Strafe im offenen Vollzug und arbeitet tagsüber als Freigänger in einer Behindertenwerkstatt in Bielefeld. Aufgrund der zuvor verbüßten fünfmonatigen Untersuchungshaft könnte er in absehbarer Zeit auf Bewährung entlassen werden. Schon vor zwei Jahren musste der Manager, der nicht nur bei Arcandor, sondern zuvor auch als Bertelsmann-Chef und als Investmentbanker in London Millionen verdient hatte, Privatinsolvenz anmelden.