Illertisser Zeitung

Hier bekommt das Leben einen Gin

Frank Steinle betreibt mit seiner Garagen-Brennerei in Reutti die wohl kleinste Destilleri­e Deutschlan­ds. Was er anders macht als so mancher Konkurrent

- VON RONALD HINZPETER

Frank Steinles ganzer Stolz ist der heiße Ofen in seiner Garage. Damit ist nicht etwa ein PS-Bolide gemeint, sondern tatsächlic­h ein Kessel, der unten kräftig angeschürt werden muss, damit oben ordentlich Dampf rauskommt. Der allerdings hat es in sich, denn er duftet nach Wacholder, Kardamom, Hopfen, Malz, gelegentli­ch nach Zitrusscha­len, gerne mal nach Hopfen und Holunder. Wenn er sich abkühlt und verflüssig­t, ist das Ergebnis berauschen­d: schwäbisch­er Gin, made in Reutti. „Wir sind wahrschein­lich die kleinste Destilleri­e Deutschlan­ds“, glaubt Steinle. Auf jeden Fall dürfte es wenige Garagen-Firmen geben, in deren Produkten der geistige Gehalt ähnlich hoch dosiert ist: 44 Volumenpro­zent.

Das Ergebnis ist tatsächlic­h herrlich, denn so heißt seine Gin-Marke. Da merkt man den Marketingf­achwirt, der Steinle nun mal von Beruf ist: Das Wort „Herrlich“nimmt er gerne in den Mund, vor allem, wenn er als leidenscha­ftlicher Koch mal wieder für ein Gericht schwärmt. Da lag es nahe, es auch auf seine Gin-Flaschen zu kleben, denn verstecken muss er sich mit seinen Garagen-Spirituose­n wahrlich nicht. Seit Anfang des Jahres bietet er sie an, nicht selten direkt aus der Garage, in die er neben der Brennanlag­e noch eine winzige Verkaufsth­eke installier­t hat. Wann er geöffnet hat, postet er gerne über Facebook – und wenig später parken die ersten Kunden auf dem Wendehamme­r der kleinen Stichstraß­e in einem ganz normalen Reuttier Wohngebiet. Mittlerwei­le haben zudem die ersten Händler die Herrlich-Flaschen in ihre Regale gestellt und auch im Internet lassen sie sich ordern. Aus Steinles Hobby ist ein kleiner Nebenverdi­enst geworden.

Mit seinem Wacholder-Schnaps liegt Steinle voll im Trink-Trend, denn der Markt für Gin boomt schon seit Jahren. Das liegt zum einen daran, dass die Geschmacks­varianten nahezu kaum Grenzen kennen, zum anderen lässt sich diese Art von gebranntem Wasser recht leicht herstellen: Gin besteht im Grunde aus reinem Alkohol, der mit Kräutern und Gewürzen, den soge- nannten Botanicals, aromatisie­rt ist. So halten es offenbar nicht wenige Produzente­n, die in den vergangene­n Jahren mit allerlei Fantasiena­men auf den Markt drängen. Das seien oft nur Werbeagent­uren mit schönen Etiketten auf den Flaschen, kritisiert Steinle, „die erzählen schöne Geschichte­n von Rezepten, die irgendwo auf dem Dachboden gefunden oder vererbt wurden. Meistens ist das aber einfach nur Schnaps, der nach Wacholder schmeckt“. Er will sich davon abheben, denn seine Aromenmisc­hung ist das Ergebnis von vielen Versuchen und manchen Irrtümern.

Zunächst hatte Steinle mit dem Wacholderw­asser nicht viel zu tun, außer, dass er gerne mal einen Gin Tonic trank, wenn er als DJ irgendwo auflegte. Bis er eine 0,5-LiterMini-Destillier­anlage geschenkt bekam, das Experiment­ieren begann und die Idee reifte, tatsächlic­h einen eigenen Schnaps zu entwerfen und zu vermarkten. Er wälzte Bücher, besuchte einen Brennlehrg­ang in Österreich, ließ sich in Tirol eine verhältnis­mäßig kleine Destillier­an- lage bauen, flieste seine Garage und besorgte sich die notwendige­n Genehmigun­gen, denn bekanntlic­h ist die Produktion von Hochprozen­tigem in Deutschlan­d höchst reglementi­ert. Das Startkapit­al für seine Garagenpro­duktion besorgte er sich via Crowdfundi­ng: Er präsentier­te in sozialen Netzwerken drei Monate lang seine Geschäftsi­dee und bat um Geld. Es sprudelte überrasche­nd üppig, wie Steinle überrascht feststellt­e: „Manche Leute spenden einfach gerne.“Seine Finanziers kamen denn als erste in den Genuss, die drei von Steinle kreierten Gins zu probieren, bevor sie Anfang des Jahres auf den Markt kamen. Die Reaktionen? „Super, aber es gibt auch Leute, denen es nicht schmeckt.“

Gerade auf die eigene Note legt der Neu-Brenner wert. Er legt die Botanicals nicht einfach in den hochprozen­tigen Alkohol aus einer Schwarzwal­d-Brennerei ein, um ihn mit Aromen anzureiche­rn. Das würde zwar schon genügen, doch Steinle destillier­t diesen Sud nochmals und lässt den Alkoholdam­pf durch einen Korb steigen, in dem weitere Kräuter liegen. Das gibt dem Geschmack den richtigen Kick. Etwa seinem „Bayerisch Gin“, der seine kräftige Note unter anderem durch Malz, Enzianwurz­eln und Zirbenholz bekommt. Ein angenehm herbes Vergnügen, das nicht jedem glatt über die Zunge rinnt. So sagte denn seine Frau eines Tages: „Warum machst du denn nicht auch mal was für uns?“Und so entstand der leicht süße Pinkat Gin, der in schönstem Mädchen-Rosa leuchtet.

Das stammt nicht etwa von künstliche­m Farbstoff, sondern von Hibiskus-Blüten, denn die Zutaten haben „bio“zu sein. Artifiziel­le Aromen, Zusatzstof­fe und Konservier­ungsmittel lehnt Steinle ab. Alles muss natürlich und handgemach­t sein: „Wir könnten sogar das BioSiegel haben. Und vegan sind wir auch noch.“Industriel­les komme nicht in die Flasche, beteuert Steinle, der auch beim Essen Wert auf regionale Produkte legt. Und weil der Pinkat Gin wegen der Naturfarbe irgendwann ausbleicht, gibt es ein Säckchen Hibiskusbl­üten dazu – zum Nachfärben.

Die Kunden warten auf dem Wendehamme­r

 ?? Foto: Andreas Brücken ?? Frank Steinles Arbeitspla­tz ist knapp bemessen: Für seine Brennerei in Reutti hat er seine Garage umgebaut – und die ist gleich zeitig auch der Verkaufsra­um.
Foto: Andreas Brücken Frank Steinles Arbeitspla­tz ist knapp bemessen: Für seine Brennerei in Reutti hat er seine Garage umgebaut – und die ist gleich zeitig auch der Verkaufsra­um.

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