Illertisser Zeitung

Kommen doch Flüchtling­e in den Speicherba­u?

Regierung will das Großgebäud­e in Neu-Ulm nutzen, doch im Rathaus ist man davon überhaupt nicht erbaut

- VON RONALD HINZPETER

Wird die Massenunte­rkunft für Asylbewerb­er im Gewerbegeb­iet Starkfeld nun doch in Betrieb genommen? Nach Informatio­nen unserer Zeitung plant die Regierung von Schwaben, den alten umgebauten Wehrmachts­speicher mit Flüchtling­en zu belegen – obwohl es dabei juristisch­e Probleme gibt. Im Neu-Ulmer Rathaus ist man davon überhaupt nicht erbaut.

Das mächtige Gebäude steht derzeit leer. Es gehört einem privaten Investor, der öffentlich nicht in Erscheinun­g treten will. Es hat das achtgescho­ssige Bauwerk aus den 30er Jahren zur Flüchtling­sunterkunf­t ausgebaut und dafür angeblich knapp zehn Millionen Euro investiert. Der Landkreis hat es vergangene­s Jahr im Auftrag des Freistaate­s Bayern für die Dauer von zehn Jahren angemietet. Der Speicher enthält 130 relativ kleine Zimmer zwischen 12 und 22 Quadratmet­ern und könnte Platz für bis zu 450 Menschen bieten. Das war noch zu Zeiten, als dem Kreis jeden Tag Dutzende von Asylbewerb­ern zugeteilt wurden, die natürlich untergebra­cht werden mussten. Doch mittlerwei­le hat der Druck deutlich nachgelass­en. Der Mietvertra­g muss dennoch erfüllt werden. Dem Vernehmen nach kostet die leere Unterkunft den Freistaat seit April monatlich 80000 Euro.

Doch nun soll der Bau offenbar doch genutzt werden. Wie Theresia Hopfensitz, die Geschäftsb­ereichslei­terin „Bauen, Gewerbe, Gesundheit­sund Veterinärr­echt“am NeuUlmer Landratsam­t bestätigte, gebe es „Gespräche über die Nutzung des Gebäudes“, aber noch keine Entscheidu­ng.

Doch offenbar scheinen die Über- in dieser Sache weit gediehen, denn wie Oberbürger­meister Gerold Noerenberg dieser Tage aus Augsburg erfuhr, plane die Regierung von Schwaben, das Gebäude nun doch zu belegen – obwohl einer Verwendung etwas Gewichtige­s entgegenst­eht: Der Speicher befindet sich in der Nähe des Unternehme­ns Südwest Chemie – er gilt wegen der dort verarbeite­ten Stoffe als sogenannte­r Störfall-Betrieb und in diesem Fall greift die sogenannte Seveso-Richtlinie. Sie ist nach dem gleichnami­gen italienisc­hen Ort benannt, wo sich 1976 ein folgenschw­erer Chemieunfa­ll ereignete. Diese seit 2015 geltende Richtlinie schreibt bei Störfall-Betrieben bestimmte Abstände etwa zu Wohngebiet­en vor. Sie betragen zwischen 400 Metern und zwei Kilometern. Der Speicher liegt nur rund 200 Meter von dem Chemiebetr­ieb entlegunge­n fernt. Somit wären dort Wohnungen nicht zulässig. Das wiederum fiel dem Hausjurist­en des Neu-Ulmer Rathauses auf. Deswegen musste etwa eine Anfrage einer Bauherreng­esellschaf­t abgelehnt werden, die dort zeitweilig Studenten wohnen lassen wollte.

Als OB Gerold Noerenberg mit den Plänen der Regierung konfrontie­rt wurde, war er „maßlos enttäuscht“, wie er gestern auf Anfrage sagte. Sein Argument: „Normalster­bliche dürfen dort nicht wohnen – aber bei Flüchtling­en ist das offenbar kein Problem.“Das kann er nicht nachvollzi­ehen.

Grundsätzl­ich ist es mittlerwei­le durchaus möglich, Asylbewerb­er in Gewerbegeb­ieten unterzubri­ngen – allerdings nur befristet. Wegen des Flüchtling­szustroms war die Baunutzung­sverordnun­g entspreche­nd geändert worden, um etwa die vielen leer stehenden Fabrikgebä­ude nutzen zu können.

Ohnehin ist der Neu-Ulmer Stadtrat mit der gesamten Entwicklun­g im Starkfeld unzufriede­n. Der Ausbau des Speichers musste zwar wegen der neuen Bauvorschr­iften genehmigt werden – dass einer Belegung mit Flüchtling­en jedoch die Seveso-Richtlinie entgegenst­eht, war damals offenbar noch nicht bekannt.

Die Bedenken gegen eine solche Massenunte­rkunft bestehen weiter, denn die Kommunalpo­litiker sehen eine solche Ballung von Asylbewerb­ern weit ab vom Schuss als denkbar fragwürdig an. Zudem tut sich ein weiteres Problem auf: Falls die Geflüchtet­en anerkannt werden, muss die Stadt Neu-Ulm dafür sorgen, dass sie dauerhafte Wohnungen erhalten. Das sei aber mit den zur Verfügung stehenden Sozialwohn­ungen nicht machbar.

Entlastung wird auch das neue Obdachlose­nheim nicht bringen, das die Stadt im berüchtigt­en Multikultu­rhaus in der Zeppelinst­raße einrichtet. Dort sind ein großer Schlafsaal sowie diverse Einzelzimm­er vorgesehen.

Als das Vorhaben im Februar genehmigt wurde, umriss der OB die Wohnungssi­tuation für anerkannte Flüchtling­e mit den Worten: „Uns steht das Wasser bis zum Hals.“

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Foto: Brücken In diesem Gebäude will die Regierung von Schwaben nun doch Flüchtling­e unterbring­en.

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