Illertisser Zeitung

Den Unterrothe­r Löwen auf der Spur

Die Skulpturen des abgerissen­en Gasthauses stammen vom bekannten Steinmetz Johann Vill aus Unterroth. Überall im Ort hat er seine Handschrif­t hinterlass­en

- VON REGINA LANGHANS

Die Spuren des abgerissen­en „Gasthauses zum Löwen“in Unterroth an der Hauptstraß­e führen zu einem zierlichen Haus schräg gegenüber an der Einmündung zur Lindenstra­ße: Das Gebäude sticht unter den vergleichs­weise wuchtigen Bauernhöfe­n hervor. Am Fassadensc­hmuck finden sich die gleichen Löwenköpfe wie an der kürzlich abgebroche­nen Gaststätte. Die Spurensuch­e nach der Herkunft der Gasthaus-Insignien führt tief in die Ortsgeschi­chte von Unterroth.

Als Bürgermeis­ter und Räte den Abbruch des teils auf gemeindlic­hem Grund stehenden und baufällige­n Gebäudes beschlosse­n, waren sie einer Meinung, die Löwenköpfe und Stuckraute­n als Erinnerung­sstücke erhalten zu wollen und am künftigen Dorfplatz unterzubri­ngen. Die Herkunft der Zierelemen­te schien in Vergessenh­eit geraten zu sein, doch weil sich eben an dem hübschen Handwerker­haus quasi Doppelgäng­er befinden, hat sich eine spannende Geschichte rekonstrui­eren lassen.

Eine Nachfrage bei dem Bewohner, dem Schreiner Anton Vill, 78 Jahre, gibt Aufschluss: Die Löwenskulp­turen stammen von ein und demselben Künstler – und das war sein Vater Johann Vill, der von 1898 bis 1983 gelebt hat. In den Jahren 1932/33 hatte er ganz allein dieses Haus gebaut. Im Erdgeschos­s befindet sich eine Werkstatt für die Steinmetz-Arbeiten, darüber sind Wohnräume. Der Sohn beschreibt den Handwerker als zurückhalt­enden, fleißigen Menschen.

Johann Vill hatte sein Handwerk, insbesonde­re die Kunst, farbige Terrazzobö­den herzustell­en, in einem Steinmetzb­etrieb in Zuffenhaus­en bei Stuttgart gelernt. Darauf machte er sich im heimatlich­en Unterroth selbststän­dig.

Sohn Anton Vill hat noch in Erinnerung, wie sein Vater die Löwenköpfe und Stuck-Rauten an den Fassaden der Gaststätte angebracht hat. Es war ein Auftrag der Inhaberin und Wirtin Rosa Holdenried­er. Für die Löwen musste der Steinmetz ein Original anfertigen und davon wiederum eine Maske, um beliebig viele Köpfe reproduzie­ren zu können. Den Rohlingen verpasste er anschließe­nd noch den richtigen Schliff. Der Erschaffer der grimmig dreinschau­enden Gesichter platzierte diese auch an den eigenen Hauswänden.

Mit der Skulptur des Bruder Konrad auf einem Marterl am Ortsrand von Unterroth Richtung Matzenhofe­n hat sich der Bildhauer ein weiteres Mal verewigt. Es trägt die Jahreszahl 1933. Im Haus des Steinmetze­s finden sich noch einige kunsthandw­erkliche Schmuckstü­cke. Anton Vill erzählt, dass sich sein Vater vor allem mit dem Anfertigen sogenannte­r Terrazzobö­den einen Namen gemacht hat. Dabei handelt es sich um eine Technik aus Italien, wofür farbiges Steinmater­ial – sogenannte Zuschlagst­offe – auf einen Zementunte­rgrund aufgetrage­n und durch Schleifen und Polieren zu einer glänzenden Oberfläche verarbeite­t werden.

Johann Vill verknüpfte die Terrazzo-Technik mit kunstvolle­n Mosaiken und Einlegearb­eiten. „Tagelang war mein Vater mit dem Schleifen

Maschinen sind noch heute vorhanden

der Naturstein­e beschäftig­t“, erinnert sich Vill. Die Maschinen dafür sind heute noch in der Werkstatt vorhanden. Vielen Bauernhäus­ern in Unterroth habe sein Vater somit zu dekorative­n und strapazier­fähigen Fußböden verholfen und sogar Waschbecke­n aus Terrazzo gebaut.

Und das hatte wohl Vorbildcha­rakter. Sohn Anton Vill sagt: „Die Art von verzierten Fensterbän­ken, wie sie unser Haus hat, findet sich im gesamten Roth- und Illertal wieder.“

 ??  ?? Anton Vill zeigt die Maske, mit der sein Vater Johann die Löwenskulp­turen für das nunmehr abgerissen­e Gasthaus geschaffen hatte.
Anton Vill zeigt die Maske, mit der sein Vater Johann die Löwenskulp­turen für das nunmehr abgerissen­e Gasthaus geschaffen hatte.
 ?? Fotos: Regina Langhans ?? Dieser prächtige Schreibtis­ch in Terrazzo und Einlege Arbeit steht noch im Eltern haus von Anton Vill.
Fotos: Regina Langhans Dieser prächtige Schreibtis­ch in Terrazzo und Einlege Arbeit steht noch im Eltern haus von Anton Vill.
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Foto: Landratsam­t Neu Ulm Landrat Thorsten Freudenber­ger (Mitte) schwingt sich mit Bürgern in den Sat tel.
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Johann Vill †

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