Die schutzlosen Kinder von Manchester
Sie jubeln ihrem Pop-Idol zu. Was für eine „fantastische Zeit“, schreibt eine Jugendliche per Handy-Nachricht nach Hause. Dann geht die Bombe hoch. Über den quälenden Schmerz einer Mutter und eine Stadt, die die Welt nicht mehr versteht
Verzweifelt steht Charlotte Campbell in ihrem Garten in Manchester. Sie hält ein gerahmtes Bild ihrer hübschen Tochter Olivia in den Händen und versucht, sich einen Moment lang für die Kamera zu sammeln. „Bitte, bitte, wer immer sie gesehen hat, jemand muss sie gesehen haben, lasst es mich wissen, meldet euch bei der Polizei“, sagt die Frau mit tränenerstickter Stimme und beschreibt die 15-Jährige als braunhaarig, mit Pferdeschwanz und schwarz gekleidet. Das Flehen einer Mutter.
Charlotte Campbells Wangen sind nach dieser Horrornacht vom Weinen aufgequollen. Sie hat nicht geschlafen, seit sie am Montagabend von dem Bombenanschlag erfahren hat, der sich in der Manchester Arena ereignete – bei jenem Popkonzert, das ihre Tochter unbedingt besuchen wollte, um ihrem Idol Ariana Grande zuzujubeln. Sie erlebe „eine fantastische Zeit“, hat Olivia ihrer Mutter noch am Abend per HandyNachricht geschrieben. Nur wenig später sprengte sich im Eingangsbereich des Konzerthauses ein Selbstmordattentäter in die Luft.
Unter den Toten sind zahlreiche Kinder und Jugendliche, teilt die Polizei gestern mit. Und auch unter Victoria längst gestoppt worden ist. Hotels öffnen ihre Türen für die vielen Menschen, die auf der Suche nach ihren Liebsten sind. Taxifahrer bringen verstörte Fans kostenfrei nach Hause. Und auch in den sozialen Netzwerken beginnt eine Welle der Hilfsbereitschaft.
Über den Kurznachrichtendienst Twitter meldet sich gestern Fußballtrainer Pep Guardiola, der einst den FC Bayern München trainierte und nun in der britischen Premier League beim Traditionsklub Manchester City arbeitet. „Geschockt. Ich kann nicht glauben, was letzte Nacht passiert ist“, twittert er. Denn auch seine beiden Töchter und seine Ehefrau haben das Konzert besucht. Die drei stünden „unter Schock“, seien aber unverletzt. Sängerin Ariana Grande, 23, hat noch in der Nacht geschrieben, sie sei am Boden zerstört. „Aus tiefstem Herzen: Es tut mir so leid. Mir fehlen die Worte.“
Vor Krankenhäusern bilden sich Schlangen, weil Menschen Blut spenden wollen. Ein Makler in der Innenstadt tauscht alle Wohnungsanzeigen in seinem Schaufenster gegen das Schild aus „I love MCR“– „Ich liebe Manchester“. Es ist der Slogan, der gestern in die Welt gesendet wird und überall auf den Straßen und im Internet zu sehen
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