Illertisser Zeitung

Wenn der Rapper zum Liedermach­er wird

Im Ulmer Zelt begeistert der Orsons-Sänger Maeckes im Alleingang – anders, als erwartet

- VON JENS CARSTEN

Es gibt Momente an diesem Abend, da beanspruch­t der Mann im gelben Anzug den kompletten Raum auf der Bühne: Der Sänger Maeckes wirbelt durch die Lichtkegel, hüpft, tanzt, feiert. Und die rund 300 Besucher im Ulmer Zelt lassen sich von dieser Energie gerne mitreißen: Sie klatschen, nicken, wippen – Maeckes kraftvolle Darbietung­en können anstecken. Auch wenn dabei etwas ganz anderes geboten wird, als mancher vielleicht erwartet hat: Immerhin ist der Rapper vor allem als Mitglied der Band Die Orsons bekannt. Und die hatte vor zwei Jahren im nahezu ausverkauf­ten Ulmer Zelt mit ohrenbetäu­benden Bässen ein Hip-Hop-Fest gefeiert, bei dem am Ende keiner der rund 1000 Besucher mit trockenem T-Shirt nach Hause gegangen war. Als Solo-Musiker ist Maeckes jedoch anders drauf: Nur wie genau?

Sein vielseitig­es Schaffen widersetzt sich genretypis­chem Schubladen­denken konsequent. Da gibt es zum Beispiel die melancholi­sche Hymne „Marie-Byrd-Land“, die Umweltzers­törung dank einer guten Portion Zynismus zu einer romantisch­en Liebesbezi­ehung werden lässt („Die Pole tauen wieder auf/Die ganze Welt erwärmt sich/Wenn du mich kurz anschaust“). Oder die fröhliche Ballade „Loser“, die dank eingängige­r Mitpfeifme­lodie Potenzial für einen Chart-Hit hat. Und dann gibt es den auf elektronis­chen Beats schwebende­n Song „Inneres/ Äußeres“, mit deutlichen Drumand-Bass-Anleihen.

Bei alledem beweist Maeckes, der nicht nur selbst singt und rappt, sondern auch als Musikprodu­zent tätig ist, profunde Liedermach­erQualität­en. Die kann er an diesem Abend im Ulmer Zelt zur Begeisteru­ng des Publikums voll ausschöpfe­n – auch dank der Band „Die Katastroph­en“. Für die Soli der Musiker gibt es viel Beifall: Der Stimmung tut es dabei keinen Abbruch, dass der Auftritt mit einer Dauer von rund Eineinvier­telstunden nicht zu den wirklich abendfülle­nden Veranstalt­ungen des Zelts gehört.

Dass man das gerne verzeiht, liegt auch am Charme von Maeckes, der seine Fans immer wieder einbezieht. Die Besucher sind gefordert: Mal knien sie auf dem Boden wie bei dem Song „Partykirch­e“, mal dürfen sie selbst singen, wenn Maeckes das Mikrofon vor der Bühne reckt.

Gerappt wird immer: Dass seine musikalisc­hen Wurzeln im HipHop liegen, versteckt der aus Stuttgart stammende Künstler bei seinen Solo-Projekten nicht. Wie ein roter Faden ziehen sich die Reimketten durch die Lieder, auch durch die des neuen Albums „Tilt“, das Maeckes aktuell bei einer Tour präsentier­t. Das ist auch im Zelt zu spüren: Der Bass ist so kräftig, dass der Körper bebt. Zumindest vorne vor der Bühne, wo an diesem Abend stets noch ein Plätzchen zu finden ist.

Gefeiert wird trotzdem: Als Maeckes und Co. sich das erste Mal verabschie­den, verlangen die Fans lautstark nach einer Zugabe. Die wird mit „Gettin’ Jiggy With It“erfüllt, einer Rapnummer vom neuen Album, die das Menschsein mit allen seinen Schwächen in den Fokus rückt. Sie ist ein purer Ohrwurm. Und so dürfte mancher das Zelt nach einem kurzen, aber wunderbare­n Konzertabe­nd in Richtung der nahenden Wolkenbrüc­he verlassen haben.

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Foto: Felix Oechsler Der Orsons Sänger Maeckes auf Solopfaden: Was er im Zelt bietet, ist anders, als mancher wohl erwartet hat.
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Foto: Andreas Brücken Andreas Kümmert im Ulmer Zelt. Er lebt seine Musik – und dafür lieben ihn seine Fans.

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