Wenn der Rapper zum Liedermacher wird
Im Ulmer Zelt begeistert der Orsons-Sänger Maeckes im Alleingang – anders, als erwartet
Es gibt Momente an diesem Abend, da beansprucht der Mann im gelben Anzug den kompletten Raum auf der Bühne: Der Sänger Maeckes wirbelt durch die Lichtkegel, hüpft, tanzt, feiert. Und die rund 300 Besucher im Ulmer Zelt lassen sich von dieser Energie gerne mitreißen: Sie klatschen, nicken, wippen – Maeckes kraftvolle Darbietungen können anstecken. Auch wenn dabei etwas ganz anderes geboten wird, als mancher vielleicht erwartet hat: Immerhin ist der Rapper vor allem als Mitglied der Band Die Orsons bekannt. Und die hatte vor zwei Jahren im nahezu ausverkauften Ulmer Zelt mit ohrenbetäubenden Bässen ein Hip-Hop-Fest gefeiert, bei dem am Ende keiner der rund 1000 Besucher mit trockenem T-Shirt nach Hause gegangen war. Als Solo-Musiker ist Maeckes jedoch anders drauf: Nur wie genau?
Sein vielseitiges Schaffen widersetzt sich genretypischem Schubladendenken konsequent. Da gibt es zum Beispiel die melancholische Hymne „Marie-Byrd-Land“, die Umweltzerstörung dank einer guten Portion Zynismus zu einer romantischen Liebesbeziehung werden lässt („Die Pole tauen wieder auf/Die ganze Welt erwärmt sich/Wenn du mich kurz anschaust“). Oder die fröhliche Ballade „Loser“, die dank eingängiger Mitpfeifmelodie Potenzial für einen Chart-Hit hat. Und dann gibt es den auf elektronischen Beats schwebenden Song „Inneres/ Äußeres“, mit deutlichen Drumand-Bass-Anleihen.
Bei alledem beweist Maeckes, der nicht nur selbst singt und rappt, sondern auch als Musikproduzent tätig ist, profunde LiedermacherQualitäten. Die kann er an diesem Abend im Ulmer Zelt zur Begeisterung des Publikums voll ausschöpfen – auch dank der Band „Die Katastrophen“. Für die Soli der Musiker gibt es viel Beifall: Der Stimmung tut es dabei keinen Abbruch, dass der Auftritt mit einer Dauer von rund Eineinviertelstunden nicht zu den wirklich abendfüllenden Veranstaltungen des Zelts gehört.
Dass man das gerne verzeiht, liegt auch am Charme von Maeckes, der seine Fans immer wieder einbezieht. Die Besucher sind gefordert: Mal knien sie auf dem Boden wie bei dem Song „Partykirche“, mal dürfen sie selbst singen, wenn Maeckes das Mikrofon vor der Bühne reckt.
Gerappt wird immer: Dass seine musikalischen Wurzeln im HipHop liegen, versteckt der aus Stuttgart stammende Künstler bei seinen Solo-Projekten nicht. Wie ein roter Faden ziehen sich die Reimketten durch die Lieder, auch durch die des neuen Albums „Tilt“, das Maeckes aktuell bei einer Tour präsentiert. Das ist auch im Zelt zu spüren: Der Bass ist so kräftig, dass der Körper bebt. Zumindest vorne vor der Bühne, wo an diesem Abend stets noch ein Plätzchen zu finden ist.
Gefeiert wird trotzdem: Als Maeckes und Co. sich das erste Mal verabschieden, verlangen die Fans lautstark nach einer Zugabe. Die wird mit „Gettin’ Jiggy With It“erfüllt, einer Rapnummer vom neuen Album, die das Menschsein mit allen seinen Schwächen in den Fokus rückt. Sie ist ein purer Ohrwurm. Und so dürfte mancher das Zelt nach einem kurzen, aber wunderbaren Konzertabend in Richtung der nahenden Wolkenbrüche verlassen haben.