Brunetti hat Jubiläum
Und Donna Leon verordnet Burn-out
Er ist sicher einer der bekanntesten Kommissare. Gäbe es ihn wirklich, Guido Brunetti könnte ein Dienstjubiläum feiern. Seit 1992 versucht der sympathische Commissario nimmermüde, in der Questura von Venedig allen Heuchlern und Verbrechern das Handwerk zu legen. Pädophile und Sex-Touristen hat er ebenso aufgespürt wie Giftmüllskandale und mafiöse Verstrickungen von Immobilienhaien aufgeklärt. Und dabei (fast) den Glauben an die Menschheit verloren. Denn Urheber vieler seiner Fälle oder Skandale waren angesehene Bürger. Und die meisten von ihnen kommen dank findiger und skrupelloser Anwälte ungeschoren davon. Sauer wird Brunetti auch die oft frustrierende Zusammenarbeit mit dem Vorgesetzten, Vize-Questore Patta. Ohne die hilfreiche Präsenz der charmanten Signorina Ellettra, ohne meist heiles Familienleben wäre so viel Frust mörderisch.
Kein Wunder also, dass Brunetti nach 25 Jahren einen Zusammenbruch hat. Der ist zunächst zwar nur vorgetäuscht, um einen Kollegen vor einem falschen Schritt zu bewahren. Aber der Commissario merkt im Krankenhaus, dass er tatsächlich eine Auszeit braucht. Er findet sie auf einer kleinen Insel in der Lagune, wo eine Tante seiner Frau ein Anwesen hat. Der wortkarge Verwalter stellt sich als alter Freund von Brunettis Vater heraus, er ist Hobby-Imker und nimmt den Kommissar mit auf seine Streifzüge durch die Lagune. Doch auch dort ist die Welt nicht heil, die Bienen sterben, und der Verwalter weiß, warum: „Überall haben wir gebaut und gegraben und gewühlt und mit der Natur gemacht, was wir wollen… Und hier haben wir auch alles vergiftet.“Als der Verwalter tot in der Lagune aufgefunden wird, kehrt Brunetti in den Dienst zurück. Auch diesmal kann er aufklären, was passiert ist. Auch diesmal kommen die Schuldigen ungestraft davon.
„Stille Wasser“heißt der 26. Fall, der weniger ein Krimi ist als eine Abrechnung mit der Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber der Welt. Die Spannung hält sich in Grenzen. Donna Leon scheint nach 25 erfolgreichen Jahren ermüdet zu sein.
Aus dem Italieni schen von Werner Schmitz, Diogenes 343 S. , 24 Euro