Klage abgewiesen: Darf das Kraftwerk gebaut werden?
Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat den Einspruch der Umweltschützer gegen die Bauerlaubnis abgelehnt. Das Hauptverfahren ist davon unberührt. Wie es nun weitergeht
Bei den Klagen gegen den geplanten Einbau eines Wasserkraftwerks in ein Wehr in Iller bei Dietenheim haben die Naturschützer eine Schlappe hinnehmen müssen. Zumindest in einer Hinsicht: Das Verwaltungsgericht Sigmaringen hat den Einspruch gegen die Genehmigung (des sofortigen Baus) im Eilverfahren durch das Landratsamt des Alb-Donau-Kreises in Ulm kürzlich abgewiesen. Die Argumentation der Beschwerdeführer sei nicht schlüssig, hieß es in der Begründung, wie Bernd Kurus-Nägele, der Geschäftsführer des Bund Naturschutzes im Landkreis NeuUlm erklärt. Das Gericht habe die positive Einschätzung der Mitarbeiter des Landratsamts zu dem Vorhaben bestätigt. „Wir müssen das so hinnehmen“, sagt Kurus-Nägele, der die Entscheidung als „linientreu“bezeichnet. Aufgeben sei für die Naturschützer allerdings keine Option: Sie haben Widerspruch gegen die Ablehnung eingelegt.
Nun wird die sofortige Baugenehmigung für das Werk wohl eine höhere Gerichtsinstanz beschäftigen: den Verwaltungsgerichtshof in Mannheim. Man werde für die Iller kämpfen, sagt Kurus-Nägele. Zu wichtig sei das Anliegen, den Fluss in dem fraglichen Gebiet zu sanieren – was durch die Kraftwerkspläne gefährdet werde. Die Kläger nähmen deshalb in Kauf, dass der Rechtsstreit durch die Instanzen geht – und viel Zeit und Geld kostet: „Irgendwann werden wir jemanden erreichen, der die geltenden Gesetze achtet“, sagt Kurus-Nägele.
Unberührt von der (nun abgewiesenen) Klage gegen den sofortigen Baubeginn sei das Hauptverfahren um das Projekt der Münchner Firma Fontin, die mehrere kleinere Werke bauen will, das erste bei Dietenheim. Auch dagegen haben Bund Naturschutz und Fischereiverbände geklagt. Eine Entscheidung in dieser Sache ist noch nicht gefallen. Auch einen Gerichtstermin gebe es noch nicht, so Kurus-Nägele.
Aus Sicht der Umweltschützer lohnt sich ihr Einsatz vor den Gerichten: Sollte das Kraftwerk bei Dietenheim gebaut werden, sei die dringend nötige Illerrenaturierung in dem Bereich in Gefahr. Der Hintergrund: Um eine naturnahe Situa- tion zu erreichen, müsse sich Material auf dem Grund des Flusses frei bewegen können (GeschiebeTransport). Das Wehr ist dabei im Weg: Mitgespülte Steine im Flussbett, ein wichtiger Lebensraum für Fische und viele andere Tiere, würden durch das Bauwerk aufgehalten, so die Beschwerdeführer. Sie berufen sich in zweierlei Hinsicht auf europäisches Recht: So sei erstens in der europäischen Wasserrahmenrichtlinie ein Verschlechterungsverbot und ein Verbesserungsgebot festgelegt, was für die Iller und ihre Auen gelte. Und zweitens seien die Unteren Illerauen (vom Norden Vöhringens bis Ulm) als „FaunaFlora-Habitat“registriert. Das verbiete, dass sich der Zustand einer Landschaft verschlechtert. Genau das passiere allerdings, sagt KurusNägele, der das Öko-System rund um den Fluss bedroht sieht. Die Iller vertiefe sich zusehends, wodurch Tümpel austrockneten: Seltene Tierarten wie Molche und Unken verlören ihre Lebensräume. Das soll durch die Illerrenaturierung gestoppt werden. Das Problem: Wird das Werk in das Wehr eingebaut, sei die jetzige Situation wohl auf Jahrzehnte zementiert. Kurus-Nägele: „Wenn das Kraftwerk dahin kommt, können für die Sanierung der Iller vergessen.“
Wie es weiter geht, ist unklar: Aus Sicht von Kurus-Nägele darf Fontin auch nach der Abweisung der Klage gegen den Sofortvollzug zunächst nicht bauen – wegen des Widerspruchs sei das Verfahren weiter in der Schwebe. Geht es nach dem Umweltschützer, ist in der Sache ein langer Weg durch die rechtlichen Instanzen denkbar, vielleicht sogar bis auf die europäische Ebene. Zunächst gelte es abzuwarten, was die hiesigen Gerichte machten: „Das wird sehr interessant“, so KurusNägele.
Bei der Münchner Firma Fontin bedauerte man den Widerspruch gestern: Die Ablehnung der Klage gegen den Baubeginn sei vom Gericht „umfassend und sehr gut begründet“, sagte Geschäftsführer Mathias Fontin. Den Einwänden der Kläger sei in wesentlichen Punkten widersprochen worden, etwa dass sich der Zustand der Iller durch das Kraftwerk verschlechtern werde. Viel mehr bringe das Projekt umfassende ökologische Vorteile mit sich, so Fontin. Es werde nicht nur Energie aus Wasserkraft gewonnen – auch Fische und Steine könnten das Wehr nach dem Umbau passieren. Einer Revitalisierung der Iller stehe das Werk nicht entgegen. Näher wollte sich Fontin nicht äußern: Der jetzige Gerichtsentschluss sei lediglich „ein kleiner Schritt“, im Hauptverfahren stehe eine Entscheidung noch aus.
Auf der einen Seite steht eine möglichst naturbelassene Flusslandschaft, auf der anderen stehen wirtschaftliche Absichten: Dass in Sachen Wasserkraft die Interessen gehörig aufeinanderprallen können, zeigt der geplante Einbau eines Kraftwerks in das Wehr in der Iller bei Dietenheim. Seit Jahresbeginn wird um das Projekt einer Münchner Firma ein Rechtsstreit ausgetragen: Naturschützer und Fischer wollen den Bau mit Klagen verhindern. Die Verantwortlichen am Gericht sehen sich mit einer schwierigen Frage konfrontiert: Wer hat die schlüssigeren Argumente – Gegner oder Befürworter des Kraftwerksbaus?
Eine eindeutige Antwort darauf gibt es nicht, sie liegt im Auge des Betrachters. In gewisser Weise stehen beide Seiten für Umweltschutz ein. Was darunter zu verstehen ist, wird höchst unterschiedlich bewertet: Die Unternehmer bewerben die Produktion von Energie aus Wasserkraft als Beitrag zum Klimaschutz. Der Umbau sei zudem sogar ökologisch wertvoll. Die Naturschützer sehen durch das Projekt hingegen die Rückkehr zu einer ursprünglichen Flusslandschaft in Gefahr. Welcher Blickwinkel am Ende rechtlich gesehen das stärkere Gewicht zugesprochen bekommt – darauf müssen die Beteiligten noch warten. Nach der Ablehnung der ersten von zwei Klagen und dem Widerspruch dagegen geht die Sache zur nächsten Rechtsinstanz. Das kann dauern. Und auch im Hauptverfahren (gegen das Projekt allgemein) ist noch keine Entscheidung absehbar. Der Kampf zwischen den beiden Seiten des Umweltschutzes bleibt spannend.
Langer Weg durch die rechtlichen Instanzen