Der Schatz in der schwäbischen Höhle
Hier hat man die „Venus vom Hohle Fels“ausgegraben. Und den weltberühmten Löwenmenschen: Spektakuläre Funde aus der Eiszeit haben einige Höhlen bei Ulm bekannt gemacht. Nun könnten sie Weltkulturerbe werden. Obwohl sie nicht unbedingt danach aussehen
Nach getaner Arbeit kehren die Jäger zurück in die Höhle. Mit ihren Speeren haben sie einige Bisons erlegt, die durch das kühle und kaum bewaldete Achtal ziehen. Das Essen ist wieder für ein paar Tage gesichert. Während die Männer die Beute weiter zerlegen, sich um das Feuer kümmern oder auf ihren Knochenflöten spielen, zieht sich ein anderer Jäger in seine Ecke zurück. Mit einer scharfen Steinklinge bearbeitet er ein Stück Elfenbein, so hart wie ein Zahn. Es beschäftigt ihn schon seit Tagen. Die Beine und der Rüssel sind schon zu erkennen. Der Künstler – oder ist es eine Künstlerin? – schnitzt ein Mammut. Ohne zu ahnen, dass es einmal eine kleine archäologische Sensation sein wird.
Rund 40 000 Jahre nach den Eiszeitmenschen macht sich deswegen erneut eine Gruppe auf zur Schwäbischen Alb, zu der Höhle, die heute als Geißenklösterle bekannt ist. Diesmal sind es aber keine Jäger, sondern ein paar Männer in Jeans und bequemen Schuhen, die zu der Höhle wandern. Ihre Route führt von der Blaubeurer Altstadt im Auto an ein paar alten Industriehallen und einem Tennisklub vorbei, dazu einer, der so gar kein Esoteriker ist. Der Tübinger ArchäologieProfessor Nicholas Conard, ein smarter Wissenschaftler in Jeans und Pulli, gräbt seit 1997 in der Höhle. 2008 machte er dort die bis heute wichtigste Entdeckung: die „Venus vom Hohle Fels“, ein kleines, unverkennbar weibliches Figürchen aus Mammutelfenbein. Derzeit ist wieder eines seiner Teams im Einsatz, überwiegend Studenten aus dem Ausland. Sie graben – oder besser kratzen und pinseln – rund um den Fleck, wo einst die Venus aus dem Dreck spitzelte. Nicht in der großen Halle, sondern im Eingangsbereich, in einer etwa vier Meter tiefen Grube. „Was da ist, werden wir finden“, sagt der aus den USA stammende Archäologe. „Aber wir sind noch am Anfang.“
Conard ist einer, der Begeisterung wecken will und kann. „Diese Höhlen haben eine universelle Bedeutung für alle Menschen auf der Erde. Wie die Pyramiden von Gizeh.“Er wünscht sich mehr Interesse für das Thema. „Die Leute sollen merken: Deutschland ist nicht nur Autos, Bier, Nazis und Neuschwanstein.“
Conards Neuschwanstein-Vergleich mag augenzwinkernd gemeint sein, aber natürlich nährt die
Das Taj Mahal, die Pyramiden – und die Alb Höhlen? Die Studenten kratzen und pinseln am Boden