Ein homosexuelles Känguru schlägt zu
Nach Protesten flog ein kontroverses Kinderstück in Baden-Baden vom Spielplan. Nun gastierte es in Ulm
Django ist ein harter Typ. Linker Haken, rechter Schwinger, und der Gegner liegt am Boden. Nicht schlecht – für ein homosexuelles Känguru. Ulrich Hubs „Ein Känguru wie Du“ist nicht das erste Kinderstück, das für Toleranz werben und jungen Zuschauern vermitteln will, dass Gleichgeschlechtlichkeit weder unnatürlich noch gefährlich ist. Gleichwohl erhält die Produktion gerade ungeahnte Aufmerksamkeit: Das Theater Baden-Baden hat Ulrich Hubs Stück vorzeitig vom Spielplan genommen. Nicht wegen fehlender Qualität, sondern wegen fehlender Besucher aufgrund von Protest.
Intendantin Nicola May erklärt: „Es stellte sich heraus, dass Schulklassen es schlicht nicht besuchen.“Und das lag offenbar am Thema: Medien berichteten von Elternprotest, von Gegenwind, den Lehrer durch Eltern erhielten. Beim Ticketservice und den schulischen Vor- und Nachbereitungen habe das Theater die „vermehrt gespaltenen Meinungen zum Stück bei einigen Lehrern und Eltern“mitbekommen, heißt es.
Wahrscheinlich ist es kein Zufall, dass ausgerechnet in Baden-Württemberg der Protest gegen das Stück hochkocht: Dort stehen sich eine grün geführte Landesregierung, die das Thema sexuelle Vielfalt in den Lehrplänen verankert hat, den teils wütenden Protesten von Eltern gegen die angebliche „Sexualisierung ihrer Kinder“gegenüber. So gerät ein homosexuelles Beuteltier schon mal zwischen die Fronten. In Ulm hat man die Debatte um „Ein Känguru wie Du“mit einem lachenden Auge gesehen: Dort finden derzeit die Baden–Württembergischen Theatertage samt angeschlossenen Treffen des landesweiten Arbeitskreises Kinder- und Jugendtheater statt. Und gestern stand dort zweimal Ulrich Hubs Toleranz-Stück auf dem Spielplan – vor vollen Reihen. Die Diskussion bringt Zuschauer. Und diese sehen, dass es in dem Stück nicht um sexuelle Freiheit geht, sondern um Freundschaft und „Diversität“, dargestellt anhand besagten Kängurus, zweier ziemlich unreifer Raubkatzen, die ihre Vorurteile ablegen müssen, und eines Tierdompteurs, der sich als weniger sensibel als gedacht herausstellt. Da fallen Sätze wie „Jedes Tier kann etwas Besonderes“. Oder: „Wer soll etwas dagegen sagen, dass zwei Menschen sich lieb haben?“
Beim Arbeitskreis der Kinderund Jugendtheater kann man den Wirbel um „Ein Känguru wie Du“ nicht verstehen. „Die Debatte zeigt, dass Teile der Gesellschaft offenbar noch nicht so weit sind“, sagt Sprecher Christian Schönfelder (Junges Ensemble Stuttgart). Auch seine Kollegin Natascha Kalmbach (Junge Bühne Heidelberg) wendet sich gegen Kritiker, die meinen, dass Grundschüler noch zu jung für das Thema seien – Vorurteile und Schimpfwörter wie „Schwuchtel“seien auf Schulhöfen verbreitet. „Es geht ja nicht darum, schwule Sexpraktiken auf die Bühne zu bringen“, sagt sie und schüttelt den Kopf. Das Stück sei die ganze Aufregung nicht wert.
Automatisch gut finden muss man „Ein Känguru wie Du“nicht. Der Ulmer Theaterpädagoge Martin Borowski jedenfalls ist nicht begeistert: Ihm gefällt nicht, dass die Homosexualität so sehr im Zentrum der Geschichte steht – damit sei sie eben nicht Teil der Normalität. „Aber dass überhaupt eine solche Diskussion entsteht, finde ich unglaublich.“