Warum im Hospiz auch mal gelacht wird
Kurz nach der Eröffnung im Mai 2015 war die Illertisser Einrichtung ausgebucht: Die Nachfrage hält bis heute an – laut Geschäftsführer Andreas Lazarek ist die Stimmung herzlich. Doch große Herausforderungen stehen an
Der Anfang war schwer, doch inzwischen hat das BenildHospiz in Illertissen einen Erfolgskurs eingeschlagen: Diese Bilanz hat Geschäftsführer Andreas Lazarek vor den Stadträten im Kulturausschuss gezogen. Zu Beginn habe bei den Betreibern Unsicherheit geherrscht, gerade was die Finanzen angeht: Man wusste nicht genau, wie viel die Krankenkassen bezahlen. Doch 100 Tage nach der Eröffnung im Mai 2015 sei die Einrichtung das erste Mal voll ausgelastet gewesen – ein Zustand, der bis heute anhält. Die Nachfrage sei groß, die Finanzierung sei allerdings trotzdem nicht einfach, sagt Lazarek. Man sei weiterhin auf Spenden angewiesen.
Das Jahr 2016 verlief sehr erfolgreich: Die Zimmer waren zu 88 Prozent vergeben – ein starker Wert, wie Lazarek betont. Denn es gebe naturgemäß Tage, an denen Zimmer nicht belegt werden könnten: Immer dann, wenn ein Gast stirbt. „Die Angehörigen müssen Gelegenheit haben, Abschied zu nehmen“, so Lazarek. Er freut sich darüber, dass das Hospiz in der Region angenommen wird – und sich auf Erfolgskurs befindet. Dennoch warten einige Herausforderungen. Ein Überblick. ● Eingerichtet wurde das Hospiz für rund 2,1 Millionen Euro in dem ehemaligen Gebäude des Kollegs der Schulbrüder. Gesammelt wurde das Geld weitgehend durch rührige Bürger, die sich über einen Förderverein erfolgreich um Zuwendungen bemühten. Dazu kamen Fördergelder. ● Das Hospiz setzte im Jahr 2016 rund 940000 Euro um, heuer wird es wohl rund eine Million sein. Die Ausgaben können aus den Einnahmen (durch Zahlungen der Kassen) nicht ganz gedeckt werden: Rund 12 Prozent der laufenden Kosten bezahlen die Stadt Illertissen und weitere Gemeinden. Trotzdem bleibe ein Defizit, sagt Lazarek. Weshalb Spenden wichtig seien. Das Jahr 2016 habe das Hospiz mit einem kleinen Minus abgeschlossen, angesichts des finanziellen Aufwands könne man zufrieden sein, sagte Lazarek.
In diesem Jahr wird das Defizit nach ersten Schätzungen höher ausfallen, es könnte bei 173000 Euro liegen. Das liege daran, dass mehr Pflegekräfte im Einsatz sind und diese laut Tarif höhere Löhne erhalten. Und die Rahmenvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Hospizen brächten teure Neuerungen mit sich. ● 85 Menschen wurden im Jahr 2016 aufgenommen: der jüngste war 29 Jahre alt, der älteste 95. Insgesamt hat das Hospiz in den zweieinhalb Jahren seines Bestehens bislang 198 Menschen betreut, 27 davon aus Illertissen. ● Im Schnitt blieben die Gäste 27 Tage im Hospiz und damit im Vergleich relativ lange. Allerdings nur rechnerisch: So sei ein Gast ein Jahr lang betreut worden, ein anderer 264 Tage. „Das ist extrem lang“, sagt Lazarek. Ohne diese beiden Fälle liege die Verweildauer im Illertisser Hospiz bei „nur“elf Tagen, wobei man im bayerischen Durchschnitt liege. ● 87 Menschen sind im Jahr 2016 im Hospiz gestorben, zwei davon waren bereits 2015 aufgenommen worden. ● Ein Schwerpunkt liege auf Schulungen für die aktuell 22 Mitarbeiter. Dazu gehörten Ausbildungen in Palliativmedizin (bei der es um die ganzheitliche Versorgung schwer Erkrankter geht) und in Aromatherapie. Letztere greift spirituelle Aspekte auf – ein wichtiges Element im Hospizbetrieb.
In den Schulungen lernten die Mitarbeiter auch, sich zu schützen: Denn bei der Hospizarbeit würden sie immer wieder mit Schicksalen und großem Leid konfrontiert, etwa wenn junge Menschen sterben. So war im Hospiz kürzlich eine Frau Mitte 30 zu Gast, die zwei kleine Kinder hatte. Lazarek: „Das geht nicht spurlos an einem vorbei.“● Dass es im Illertisser Hospiz ums Miteinander geht, zeigte sich den Mitgliedern des Kulturausschusses, als Lazarek die Räume öffnete. Da ist etwa der große Wohn- und Essbereich, in dem Gäste und Mitarbeiter zum Beispiel frühstücken und gemeinsam Zeit verbringen. „Es ist ein bisschen wie in einer großen Wohngemeinschaft“, sagt Lazarek. Der Raum hat große Fenster, einen langen Tisch, Sessel, ein Klavier und ein Bücheregal. Gekocht werde nach Wunsch der Gäste, deren Wohlbefinden im Mittelpunkt allen Bemühens stehe. Deshalb wurde zuletzt für das idyllische Gartenareal ein Grill angeschafft, der sich großer Beliebtheit erfreue. In manch fröhlicher Runde werde dann abends auch mal ein Gläschen getrunken, so Lazarek. Was in einem Krankenhaus wohl „undenkbar“sei. Auch wenn es Zeit für Schmerz und Trauer gebe – die Stimmung im Hospiz sei grundsätzlich herzlich: „Bei uns wird mehr gelacht als geweint“, so Lazarek. Und fügt hinzu: „Irgendjemand hat immer eine interessante Geschichte zu erzählen.“
Häufig genutzt werde die freistehende Badewanne – eine Spende des Lions-Clubs im Wert eines Kleinwagens, so Lazarek. Das Badewasser lasse sich mit Aromen versetzen, zudem könne Musik abgespielt werden. ● Im Jahr 2016 konnten zwei Gäste nach Hause entlassen werden. Das sei relativ selten, so Lazarek, denn in der Regel sei das Hospiz für die schwer kranken Gäste die letzte Station ihres Lebens. ● Im Hospiz könnten die Gäste durch ihre Hausärzte weiterbetreut werden, sagte Lazarek. Allerdings stehe nicht jeder Mediziner der Palliativversorgung aufgeschlossen gegenüber. Es gehe darum, wirksame Schmerzmittel zu verschreiben. „Schmerzfrei zu sein bedeutet Lebensqualität“, so Lazarek. Geschulte Palliativmediziner seien seiner Erfahrung nach „lockerer“bei der Verschreibung von sogenannten Betäubungsmitteln. ● Das Hospiz will sich der Öffentlichkeit weiter öffnen: Über eine Akademie sollen Kurse angeboten werden, eine Yogastunde gibt es bereits. Ein Seminar mit Klangschalen komme hinzu. Im sogenannten Raum der Stille wird ein Trauercafé eingerichtet, das regelmäßige Treffen anbietet. ● Was die Finanzierung der Einrichtung angeht, bleibt es spannend: Um alles bis zu dem laut Sozialgesetz geforderten Satz von 95 Prozent bezahlen zu können, müssten die Kassen den Pflegsatz von derzeit 306 Euro (pro Gast und Tag) jedoch auf 401 Euro anheben. „Das ist utopisch“, glaubt Lazarek.
Darunter litten auch andere Hospize, Verhandlungen mit den Kassen hätten bislang zu nichts geführt. „Es wird schwierig“, sagt der Benild-Geschäftsführer. Möglicherweise komme es in der Sache zu einem Rechtsstreit. Solange hofften die Betreiber weiter auf eine verstärkte Spendenbereitschaft.