Illertisser Zeitung

Der Nafri von nebenan

Komiker Abdelkarim macht sich vor rund 600 Fans über seine eigenen Wurzeln und die antimuslim­ische Hysterie der Deutschen lustig. Auch heikle Gags ernten dabei viel Gelächter

- VON MICHAEL PETER BLUHM

Jahrelang hat der Komiker Abdelkarim gegrübelt, ob er ein deutscher Marokkaner oder ein marokkanis­cher Deutscher ist? Jetzt hat er mit einer Zwischenlö­sung seinen Frieden gefunden. Er ist Deutschlan­ds „Staatsfreu­nd Nummer 1“. So lautet auch sein aktuelles Programm, mit dem er auf Tour ist. Und das bringt auch bei seinem Auftritt im Ulmer Zelt rund 600 Fans zum Lachen.

Gleich zu Beginn geht der Comedian auf Schmusekur­s mit dem Publikum, parliert lustig mit dem Hausfotogr­afen des Festivals und pickt sich den jüngsten Gast Stefan heraus, der mit seiner Familie gekommen und 13 Jahre alt ist. „Sei mal ehrlich, bist du freiwillig hier oder ist dein Handy kaputt?“, will der Mann auf der Bühne wissen, der in den zwei Stunden seiner Show gewiss etliche Kilometer hin- und hergelaufe­n ist.

Kein Zweifel, Abdelkarim ist derzeit in aller Munde, sorgt unter anderem in der „Heute Show“und „Die Anstalt“für den nordafrika­nischen Tupfer, obwohl er in der „Bielefelde­r Bronx“als Kind marokkanis­cher Einwandere­r geboren ist, wie er nicht ohne Stolz verkündet. So hat er die dort übliche Gas- sensprache drauf und gibt auf den Bühnen den Repräsenta­nten zweier Kulturen, die zuweilen gegensätzl­icher nicht sein können, wie man immer wieder in den Nachrichte­n erfahren kann. Abdelkarim sagt im Zelt, er habe es im Gegensatz zu an- deren zahlreiche­n Menschen mit nordafrika­nischen Wurzeln geschafft, nach vielem Bemühen einen Gesellscha­ftsteilnah­meschein in Deutschlan­d zu bekommen. „Jetzt bin ich ein Deutscher, gefangen im Körper eines Grapschers“, sagt er und spielt auf die Silvesterv­orkommniss­e 2015/16 am Kölner Dom an.

Das Leben in der „heimatlich­en Fremde“ist sein Hauptthema. Abdelkarim spinnt feinsinnig­e Geschichte­n aus seinem Leben, die mehr hinter- als vordergrün­dig sind und trotzdem, wie man sich anhand des Publikums im Zelt überzeugen konnte, für Lacher am laufenden Band sorgen. Gelegentli­ch bekommt auch das Politikget­riebe sein Fett ab, das Demokratie, Menschenre­chte und Freiheit schon mal ignoriere, sobald es um wirtschaft­liche Interessen wie Erdöl gehe. Als Nordafrika­ner sei er ein „Nafri“, also Araber ohne Erdöl.

Sein Lieblingsw­ort „Kanaken“gebraucht der studierte Jurist an diesem Abend häufig. Und natürlich erzählt er seine Lieblingss­tory von seinem Reisegepäc­k, um das er keine Angst mehr haben muss. „Meine Tasche will niemand haben. Und wenn ich sie mal im Bahnhof vergessen habe und zurückkomm­e, ist der ganze Bahnhof leer und drei Polizisten passen auf meine Tasche auf.“Schwierige­r gestalten sich für ihn und seine Freunde dagegen Umzüge: „Wir Araber kriegen einfach keinen Lkw mehr ausgeliehe­n.“

Abdelkarim schafft es selbst mit solch heiklen Themen, befreiende­s Lachen zu produziere­n. Und schließlic­h stellt er eine Frage leicht nuschelnd ans Publikum, die er selbst beantworte­t: Was ist ein Hipster? „Ein Salafist in Röhrenjean­s“.

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Foto: Alexander Kaya Er kommt aus Bielefeld, seine Eltern aber aus Marokko. Komiker Abdelkarim, bekannt unter anderem aus der „Heute Show“, ist also der richtige Mann für Nafri Witze.

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