Das Gold aus dem Internet
Digitalwährungen faszinieren nicht mehr nur Hobby-Programmierer. Auch in der etablierten Finanzwelt sind sie ein großes Thema, seitdem der Bitcoin immer neue Rekorde aufstellt. Doch alltagstauglich ist das neue Geld nur bedingt
„Warum nicht gleich in Schweinehälften“, schreibt ein Leser ins Kommentarforum von Das Online-Magazin mit Sitz in Hannover hatte im Frühjahr 2016 mitgeteilt, als erster deutscher Arbeitgeber seine Mitarbeiter zum Teil in Bitcoins auszahlen zu wollen. Keine große Summe, lediglich so viel, dass man es sich einmal im Monat in einem ausgewählten Café oder Burger-Laden gutgehen lassen konnte.
Im Vergleich zum Handel mit Schweinehälften, der schon seit ewigen Zeiten an den Börsen stattfindet, gehört der Bitcoin eher zu den jüngeren Markttrends. 2008 erlebte die Krypto-Währung ihre Geburtsstunde, zwei Jahre später soll der erste Handel damit stattgefunden haben. Angeblich hat ein Programmierer damals 10 000 Bitcoins gegen zwei Pizzen getauscht.
Nimmt man den aktuellen Wert, so wären das heute mehr als 46 Millionen Dollar. Denn in dieser Woche ist der Bitcoin erstmals über die Marke von 4600 US-Dollar gesprungen – und damit doppelt so viel wert wie eine Feinunze Gold. Genauso wie Gold lassen sich Bitcoins an Börsen tauschen und als Zahlungsmittel nutzen – allerdings nur digital mit Smartphone, Tablet oder PC. Im Online-Handel kann man unter anderem bei den Technologiekonzernen Dell und Microsoft mit Bitcoins zahlen.
Seit Jahresbeginn, als der Kurs noch bei 1000 Dollar stand, hat der Bitcoin drastisch an Wert gewonnen. Einen Grund dafür sehen Marktbeobachter in der hohen Nachfrage aus asiatischen Ländern, insbesondere aus Japan und China. So wird der Bitcoin in China nicht zuletzt genutzt, um Geld aus der Landeswährung Yuan umzuschichten.
In Deutschland ist der Erfolg allerdings bisher ausgeblieben. Das zeigt auch der enttäuschende Ausgang des Trotz der enormen Kursgewinne mussten die Bitcoin-Zahlungen jüngst eingestellt werden. Der mobile Bezahldienst pey.de, über den die Mitarbeiter einen Teil ihres Gehalts in Bitcoins bekamen, hat den Service mangels Nachfrage aufgegeben.
Gern hätten sie weitergemacht, erzählt der Gründer und Geschäftsführer von Andreas Lenz. Die Mitarbeiter seien sehr zufrieden und der Bitcoin in den Pausen immer ein gutes Gesprächsthema gewesen. Allein ihre Vorreiterschaft wurde ih- nen zum Verhängnis. „Ihr seid drei Jahre zu früh dran“, zitiert Lenz einen der pey.de-Chefs. Es gebe einfach noch nicht genug „Freaks“wie ihn, die sich damit auseinandersetzten. Der klassische Unternehmer – ein Malermeister oder ein Tischler etwa – interessiere sich „nicht die Bohne für eine Bitcoin-Schenkung an seine Mitarbeiter, weil er gar nicht checkt, was das ist“. Lenz dagegen wollte, dass seine Mitarbeiter von Anfang an checken, worum es geht. „Für mich ist das, was da passiert, krasser als der Goldrausch“, sagt der
Was den Bitcoin von einer klassischen Währung unterscheidet? Es gibt keine staatlichen Kontrollen. Auch braucht es keine Banken, was die Sache in vielen Fällen verhältnismäßig günstig macht. Während man für eine Auslandsüberweisung über ein traditionelles Kreditinstitut schnell einen zweistelligen EuroBetrag zahlt, kann man beim Bitcoin im besten Falle schon mit Cent-Beträgen davonkommen. Allerdings kann die Gebühr für eine Transaktion je nach gewünschter Abwicklungsgeschwindigkeit mittlerweile auch deutlich darüber liegen.
Trotz all der Vorteile finden sich in Deutschland laut dem Branchenportal bislang nur etwas über hundert Unternehmen, die den Bitcoin als Zahlungsmittel akzeptieren. In Österreich und der Schweiz sind es zusammengerechnet knapp zwanzig Firmen. Fragt man bei den Anbietern nach, wie oft es vorkommt, dass ein Kunde mit virtuellem Geld bezahlt, so erhält man häufig die gleiche Antwort: kaum.
Bei Keycoon etwa, einem Frankfurter Onlineshop für 3D-DruckerZubehör, passiere das in nicht einmal einem Prozent aller Fälle, berichtet Geschäftsführer Deniz Isik. Wenig anders sieht es bei 4electric aus, einem Zulieferer von Ladezubehör für Elektroautos, ebenfalls aus Frankfurt. Auch hier habe man sich vielmehr aus Überzeugung für den Bitcoin entschieden, heißt es vom Inhaber. Bei der Fotografin Katrin Probst war es der Ehemann, der die Idee hatte, Bitcoins als Zahlungsoption anzubieten. „Er ist ein Nerd“, erzählt sie augenzwinkernd. Bisher habe aber noch niemand von der Zahlungsmöglichkeit Gebrauch gemacht.
Vielleicht ist es aber auch die kollektive Angst vor der starken Volatilität, die mit der Angreifbarkeit digitaler Währungen einhergeht. Tatsächlich gab es seit 2014 mehrere Einbrüche, meistens als Folge von Hacker-Angriffen auf große Krypto-Tauschbörsen wie MtGox oder BitFinex. So stürzte der Kurs im Juni plötzlich auf 2200 Dollar ab. Kurz zuvor hatten Hacker wichtige Handelsplätze angegriffen.
In Japan ist man mutiger: Das asiatische Land erkennt Bitcoins als offizielles Zahlungsmittel an. Mit dem Billigflieger Peach Aviation akzeptiert darüber hinaus die erste japanische Fluggesellschaft den Bitcoin. Die Tickets können ab Ende des Jahres mit der Krypto-Währung gekauft werden.