Wie alt ist Illertissen denn nun wirklich?
Ein Leser berichtet, er habe von Spuren aus der Eisenzeit gehört. Dagegen wären die alten Römer Jungspunde
Als Sensation haben Archäologen die Funde auf einem Grundstück in der Illertisser Vöhlinstraße bezeichnet: Entdeckt wurden, wie berichtet, die Reste einer Bäderanlage aus der Römerzeit. Die Schlussfolgerung: Die Vöhlinstadt gibt es länger als angenommen. Zuvor hatten Spuren aus dem frühen Mittelalter als die ältesten gegolten. Nun müssten die Chroniken wohl umgeschrieben werden, hieß es.
Hätten sie längst, glaubt ein Leser unserer Zeitung, der sich nach den Berichten irritiert zu Wort meldete. Grund der Verunsicherung: Er habe schon zu Grundschulzeiten von Spuren aus der sogenannten „Hallstattzeit“ (der Eisenzeit ab 800 vor Christus) in Illertissen erzählt bekommen – und diese müssten wesentlich älter sein als das jetzt gefundene Bad. Jenes soll laut Experten aus dem 2. oder 3. Jahrhundert nach Christus stammen.
In der Umgebung der Vöhlinstadt gab es durchaus Funde aus vorrömischer Zeit, sagt Kreisarchäologe Richard Ambs. Nicht aber in Illertissen selbst: „In der Kernstadt sind die Römerspuren die ältesten.“Es sei allerdings nicht auszuschließen, das Illertissen tatsächlich noch früher besiedelt war. So sei es wahrscheinlich, dass die Erhebung – auf der sich heute das Schloss befindet – schon von frühester Zeit an zur Überwachung einer wichtigen Verkehrsachse verwendet wurde: die Furt über die Iller nebst anschließender Straße. „Nur gefunden hat man bisher eben nichts“, sagt Ambs.
In vergangenen Jahrzehnten wurden im Bereich der Apothekerstraße mehrere Spuren der Alemannen entdeckt. Zuletzt im Jahr 2014, als man im Zuge von Bauarbeiten auf sieben Gräber stieß. Diese stammen aus dem sechsten und siebten Jahrhundert. Es seien die ältesten Spuren von Zivilisation, die in der Illertisser Innenstadt bisher gefunden worden sind, sagt Ambs. Es sei somit richtig, dass die Entdeckung der alten Bäderanlage aus der Römerzeit an der heutigen Vöhlinstraße eine Sensation darstellt.
Ob es sich bei dem jüngsten Fund, wie von den mit den Grabungen betrauten Archäologen vermutet, tatsächlich um eine „Villa Rustica“, ein Landgut, handelt, ist nach Ansicht von Ambs jedoch fraglich. Nach seiner Einschätzung könnte die Bäderanlage auch zu einer Straßenstation gehört haben.
Welche Deutung richtig ist, könnte demnächst herausgefunden werden: Der studierte Römerspezialist Stefan Reuter aus Neu-Ulm werde dies untersuchen, sagt Ambs, der große Stücke auf den Wissenschaftler hält. Schon im Kindesalter sei Reuter, der aktuell seine Doktorarbeit anfertigt, von der Materie begeistert gewesen. „Er ist oft mit dem Fahrrad zu den Ausgrabungen gefahren“, erinnert sich Ambs.
Der irritierte Bürger nimmt das achselzuckend zur Kenntnis: „Dann hat man uns das damals in der Schule wohl falsch erzählt.“