Baier stellt sich und bleibt Kapitän
Der Mittelfeldspieler entschuldigt sich öffentlich vor dem Spiel in Stuttgart. Die Frage ist, wer soll ihn dort ersetzen
Spiel Sperre und 20000 Euro Geldstrafe verurteilt hatte. Baier: „Ich habe das Urteil akzeptiert, weil ich zu der Strafe stehe und sie antreten will. Natürlich brauchen wir nicht darüber zu reden, dass das viel Geld ist.“Er entschuldigte sich ausdrücklich bei allen „Leipzigern, die sich ne zugesagt, doch als Baier dann vor der Kabinentür stand, blieb die zu.
Nicht nur dies missfiel FCA-Geschäftsführer Stefan Reuter: „Wenn ich sehe, wie Ralph Hasenhüttl sich mit unseren Spielern beschäftigt, mit jedem Foul, dass er permanent Karten für unsere Spieler fordert und dabei teilweise auf das Feld rennt, finde ich das überzogen.“
Er fand es zudem „verfehlt, dass sich Hasenhüttl zum Moralapostel aufschwingt und Richter spielt“. Er verwies auf die Unsportlichkeit von Timo Werner, der im Dezember 2016 mit einer Schwalbe einen Elfmeter gegen Schalke 04 provozierte. RB Leipzig gewann 2:1.
Er hätte sich eine andere Reaktion Hasenhüttls gewünscht. „Es passiert häufig etwas auf dem Spielfeld, das war auch zu meiner Zeit als Spieler so, man hat sich hinterher die Hand gegeben und entschuldigt. Dann war das Thema vom Tisch.“
Die Geste von Baier wollte Reuter aber nicht entschuldigen: „Wenn man die Bilder sieht, ist klar, dass es eine Aktion ist, die gar nicht geht.“Ihm imponierte aber, wie Baier nun zu seinem Fehler steht: „Das finde ich grandios. Es zeigt, was für ein Typ er ist, und dass er Verantwortung übernimmt.“
Deshalb wird Baier auch Kapitän bleiben. Bei FCA-Trainer Manuel Baum stand Baier in keiner Sekunde zur Debatte. „Verein und Mannschaft zeichnet es aus, Fehler nicht unter den Tisch zu kehren oder irgendwo anders Fehler zu suchen, sondern dass man offensiv damit umgeht und geradesteht. Für ihn ist es ein „deutlich stärkeres Zeichen, sich hier hinzusetzen, als andere Ausflüchte zu suchen.“Baum weiter: „Das zeigt für mich deutlich mehr Charakter als viele in unserer Gesellschaft, die bei anderen den Fehler suchen.“
In Stuttgart wird die Kapitänsbinde Stellvertreter Alfred Finnbogason überstreifen. Wer Baier auf dem Feld ersetzen wird, behielt Baum gestern noch für sich: „Es gibt mehrere Optionen, wir haben ein gut besetztes Mittelfeld, aber auch die Möglichkeit, hinten einen mehr reinzustellen. Wir haben einen breiten Kader.“Kandidaten sind Jan Moravek, Ja-Cheol Koo, Gojko Kacar oder eventuell sogar Kevin Danso.
Daniel Baier wird nicht mit der Mannschaft nach Stuttgart fahren: „Ich werde das Spiel leider im Fernsehen anschauen und meiner Mannschaft die Daumen drücken.“
Wer in den 70er Jahren mit Fußball aufgewachsen ist, wird sich des Kölners Wolfgang Overath auf ewig erinnern. Wie Overath den Ball durch die Tiefen der Räume gestreichelt hat. Wie er eine Pirouette um die andere gedreht hat, erhobenen Hauptes und immer ein Auge in Richtung Kölner Dom. Wunderbare Zeiten für die Fans. Andererseits trieb einen schon damals die Frage um, wie jemand abseits von Karneval und Kölsch sein Herz an den 1. FC Köln verlieren konnte. An einen Verein, der statt eines Adlers, eines Löwen oder eines Smartphones einen Ziegenbock im Wappen trägt und dessen Spieler folglich als Geißböcke kicken.
Vermutlich war es wie immer, wenn der Mensch in unerklärbarer Leidenschaft entflammt und der Verstand gen Süden rutscht: Es hat einfach zoom gemacht. Die Hormone rauschten – und der Mensch mit seinem bisschen Grips war an den Klub verloren. Anders als im richtigen Leben halten Fußball-Beziehungen bis dass der Tod sie scheidet, mögen Unparteiische mit vernichtenden Elfmeterpfiffen noch so an ihnen sägen. Das geht gar nicht anders. Keiner, der sich einmal als Anhänger des 1. FC Köln zu erkennen gegeben hat, könnte sich in schlechten Zeiten mit der Erklärung, er sei jetzt Fan von Bayern München auf die Straße wagen – so sehr einem auch nach Partnerwechsel war. Im Augenblick ist es wieder so weit. Nirgendwo steht die Beziehung nach dem fünften BundesligaSpieltag dermaßen im Feuer wie in Köln. Vom Rauschhaften der vergangenen Saison, das die Geißböcke in die Europa League getragen hat, ist nichts mehr geblieben. Fünf Pleiten, null Punkte, 1:13 Tore, Tabellenletzter – und der Video-Schiedsrichter kennt kein Erbarmen. Auch beim 0:1 gegen Frankfurt urteilte der Assistent gleich zweimal zum Nachteil der Kölner, wo jedes Geißbock-Herz eindeutig anders entschieden hätte. Es hat den Kölnern bislang auch nicht geholfen, dass ihre schöne Stadt jenes Studio beherbergt, aus dem die vernichtenden Urteile kommen.
Dabei waren die Kölner bescheiden zur viel versprechenden Saison angetreten. Anders als früher, als jedes Mini-Hoch Größenwahn auslöste. Es hat sie nicht vor dem Absturz bewahrt. Vielleicht, weil die Mannschaft zuletzt über ihre Verhältnisse gespielt hat, und ohne Anthony Modeste weit darunter kickt. Ihrem Klub werden die Fans auch noch die Treue halten, wenn er am Sonntag in Hannover zum sechsten Mal verliert. Sie können nicht anders. Peter Stöger, den bislang hochverehrten, wird dagegen bald der Laufpass ereilen.
„Ich war kein Vorbild als Mensch, als Familienvater und als Fußballer.“
FCA Kapitän Daniel Baier