Beifall und Pfiffe für die Kanzlerin
Angela Merkel spricht in Ulm vor etwa 3000 bis 4000 Besuchern auf dem Münsterplatz. Begleitet wird ihr Auftritt von Protest und einem großen Polizeiaufgebot
Pfiffe im Wahlkampf ist die Bundeskanzlerin gewohnt. Auch in Ulm wurde Angela Merkel (CDU) schon mal ein ungemütlicher Empfang bereitet. Vor acht Jahren empfingen Milchbauern sie mit Pfiffen und Buhrufen auf dem Münsterplatz, aus Protest gegen die Regierungspolitik und die schlechte wirtschaftliche Lage in der Landwirtschaft. Diesmal fällt der Protest jedoch noch etwas anhaltender aus. Etwa 100 bis 150 Demonstranten mit Transparenten und AfD-Fahnen begleiten Merkels Wahlkampfauftritt im Schatten des Münsters mit einer schrillen Hintergrundmusik – sie pfeifen während der Rede ununterbrochen. Weder die CDUChefin noch die Mehrheit der Besucher lassen sich davon beirren. 3000 bis 4000 Besucher empfangen Angela Merkel am Freitagnachmittag friedlich und mit freundlichem Beifall.
Ein starkes Polizeiaufgebot sichert die Veranstaltung. Am Münstertor in der Neuen Mitte stehen, ähnlich wie an Schwörmontag, Sperren aus Beton, ebenso auf dem westlichen Münsterplatz zwischen Stadthaus und Fußgängerzone. Die Polizei zeigt auf und neben dem Platz eine hohe Präsenz. Auf dem Dach des Stadthauses stehen Beobachter mit Kamera und Ferngläsern.
Musik und Interviews mit den regionalen Bundestagskandidaten stimmen die Besucher auf den Auftritt Angela Merkels ein, die sich um kurz nach 16.30 Uhr einen Weg durch die Menge bahnt. Hunderte Smartphones werden gezückt. Auf den Schildern, die Helfer kurz zuvor verteilt haben, steht „Voll muttiviert“oder einfach „Angela Merkel“. Etwa 50 Stunden vor Schließung der Wahllokale ergreift die CDU-Vorsitzende das Wort und sagt zu den Menschen: „Im Kern entscheiden Sie ja über Ihr Leben. Es ist ja Ihre Wahl.“
Merkel spannt einen Bogen von der Finanz- und Wirtschaftspolitik über Bildung bis hin zur Inneren Si- cherheit und Flüchtlingsthematik. Die Menschen würden die CDU nicht für das wählen, was die Union in der Vergangenheit geschafft habe, sondern für das, was sie in den nächsten vier Jahren vorhabe. Steuerliche Entlastung von kleinen und mittleren Einkommen, strengere Überwachung von islamistischen Gefährdern, Bekämpfung der Ursachen von Flucht und Vertreibung vor Ort zählt sie beispielsweise auf. Die Kommunen und Regionen sollen gestärkt werden, ebenso das Ehrenamt. Die Kanzlerin bleibt ihrer Linie bei Wahlkampfauftritten treu und erwähnt ihren Herausforderer von der SPD, Martin Schulz, kein einziges Mal. Auf die sozialdemokratische Partei geht sie nur ein, zwei Mal ein. Statt auf Attacke setzt Merkel ganz auf ihre zwölfjährige Erfahrung als Bundeskanzlerin.
„Mit Brüllen und Pfeifen bringen wir Deutschland nicht voran“, sagt sie an die Demonstranten vom rechten Rand gewandt. Mehr Aufmerksamkeit gewährt sie ihnen nicht. Bereitschaftspolizisten stellen sich zwischen die AfD-Anhänger und einige linke Gegendemonstranten. Als Angela Merkel um kurz vor 17.30 Uhr ihre Rede beendet und lächelnd in die Menge winkt, bevor es für sie weiter zum Wahlkampfendspurt nach München geht, erhält sie viel Beifall. Das rhythmische Klatschen übertönt das Dauerpfeifkonzert der Demonstranten.
Bei der Wahlparty im Landratsamt Neu Ulm werden die Er gebnisse am Sonntag ab 18 Uhr öffentlich präsentiert.