Verdeckter Ermittler
Günter Wallraff ist einer der bekanntesten Journalisten des Landes. Jetzt wird er 75
Er rutscht unruhig auf seinem Stuhl herum, mehrmals klingelt während des Gesprächs für diesen Artikel sein Handy. Günter Wallraff ist immer in Bewegung, könnte man sagen. Und kürzertreten will er auch künftig nicht, auch nicht nach seinem 75. Geburtstag am Sonntag. Vor kurzem erst hat der Wahlkölner – geboren wurde er im nordrheinwestfälischen Burscheid – die Dreharbeiten für eine abgeschlossen. zeigt auch mit „Team Wallraff“ein auf ihn zugeschnittenes Investigativ-Format.
Hinzu kommt der Einsatz für seine Stiftung „Work-Watch“, die Arbeitnehmer dabei unterstützt, sich gegen Diskriminierung und Mobbing zur Wehr zu setzen. Das mache nahezu 50 Prozent seiner Zeit aus, sagt Wallraff. Und dass er seinen Geburtstag auf keinen Fall feiern werde, denn Partys seien ihm ein Gräuel. Stattdessen wolle er im Ausland etwas „Sinnstiftendes“tun.
Wallraff ist ein Ausnahmejournalist. Mit seinen Undercover-Reportagen, bei denen er andere Identitäten annahm, deckte er diverse Missstände auf. Etwa in der Rolle des „Hans Esser“, der 1977 drei Monate als Redakteur bei der in Hannover arbeitete. Noch aufsehenerregender war sein Einsatz für das Buch „Ganz unten“(1985): Zwei Jahre schlüpfte er in die Rolle eines türkischen Gastarbeiters, unter anderem auf Baustellen, und erlebte, was es heißt, Ausländer zu sein.
Günter Wallraff hatte nie Angst, sich mit irgendjemanden anzulegen. Auch nicht mit dem Springer-Verlag, mit dem er sich jahrelang in Rechtsstreitigkeiten befand – etwa, weil der ihn als Stasi-Mitarbeiter bezeichnete. Wallraff ging erfolgreich dagegen vor.
Er sei eine „absolut singuläre Figur. Es gibt keine vergleichbare Persönlichkeit“, sagt Lutz Hachmeister, Leiter des Instituts für Medienund Kommunikationspolitik, über ihn. In Schweden gebe es für seinen – nach wie vor umstrittenen Recherchestil – sogar den Begriff „wallraffing“. Für seine Arbeit erhielt der Journalist stets Anerkennung – und viel Kritik. Wie für seinen Film „Schwarz auf Weiß“(2009): Mithilfe einer Maskenbildnerin hatte er sich zu dunkler Hautfarbe verhelfen lassen, um als schwarzer Deutscher Rassismus aufzudecken. Die schwarze Autorin Noah Sow warf ihm daraufhin vor, „unterdrückte Minderheiten nachzuäffen“.
So erfolgreich er beruflich auch war, so schwierig war sein Privatleben. „Die sich mit mir einlassen und es mit mir aushalten, das sind besondere und starke Frauen, ohne die ich verloren wäre“, sagt Wallraff. Er hätte privat einiges anders machen sollen. Auf seine fünf Töchter im Alter von 19 bis 50 Jahren aus drei Ehen jedenfalls blickt er mit Stolz. „Alle haben ihren eigenen Weg gemacht.“