Mehr Abiturienten beginnen eine Lehre
Dieses Jahr haben sich viele Jugendliche für eine Ausbildung entschieden. Das freut die Betriebe. Aber es gibt auch etliche Branchen, die zu kämpfen haben
Da sitzen sie, die Vertreter der Handwerkskammer für Schwaben, der Industrie- und Handelskammer Schwaben und der Augsburger Arbeitsagentur, und sind rundum zufrieden. Was sie erzählen, ist ja erfreulich: Es geht um den Ausbildungsmarkt in der Region. Und der sah in diesem Jahr zumindest aus Sicht der Lehrlinge rosig aus. Denn es gab in fast allen Branchen und Regionen mehr Stellen als Bewerber, sagen sie alle übereinstimmend. Das heißt: Die Jugendlichen hatten die Wahl. Und sie wählten fleißig. Am deutlichsten spürt das das Handwerk, denn in diesem Jahr entschieden sich 8,3 Prozent mehr junge Menschen für eine Ausbildung in einem Handwerksberuf. Auch bei der IHK lief es gut. Sie konnte 1,3 Prozent mehr Lehrlinge unter Vertrag nehmen. Doch woher kommt das Plus in Zeiten des demografischen Wandels? In Zeiten, in denen weniger Schüler die Schulen verlassen, wie es Roland Fürst, operativer Geschäftsführer der Arbeitsagentur Augsburg, sagt.
Oliver Heckemann, der bei der IHK für den Bereich duale Ausbildung zuständig ist, und sein Kollege, Volker Zimmermann, der sich in der Handwerksammer um das Thema kümmert, sind sich einig: Die Kampagnen der Kammern wirken. Schon seit langem versuchen sie, Abiturienten und Absolventen einer Fachoberschule für eine Ausbildung zu begeistern. Und das scheint zu klappen. So konnte die IHK 18,4 Prozent Lehrlinge mit Hochschulreife unter Vertrag nehmen und die Handwerkskammer 9 Prozent. Bei beiden ein Plus im Vergleich zum Vorjahr. „Wir spüren, dass das Handwerk an Ansehen gewinnt“, sagt Zimmermann. Und sein Kollege Heckemann bestätigt das für seinen Bereich. „Die starke Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft wird in der beruflichen Ausbildung geboren“, sagt er.
Und dennoch gibt es auch negati- ve Aspekte – zumindest aus der Sicht der Unternehmen. Denn in vielen Branchen bewerben sich immer weniger junge Menschen. So sind etwa in der Hotellerie und Gastronomie, in Berufen wie Lagerlogistiker oder Berufskraftfahrer, bei Metzgern und Bäckern, Sanitärund Anlagenbauern und im Baugewerbe noch viele Stellen offen. Warum? Weil viele dieser Berufe den Jugendlichen als zu unattraktiv erscheinen. „Wir merken, dass die Jugendlichen sich mehr Komfort wünschen“, sagt Heckemann. Die Jungs entschieden sich etwa „öfter für ein weißes Hemd und gegen einen Blaumann“, sagt der IHK-Mann sinnbildlich.
Doch die beiden Männer sehen für die Berufe mit Nachwuchssorgen ein großes Potenzial in den Flüchtlingen. „Wir konnten viele Geflüchtete in Berufe wie Lagerlogistiker, Anlagen- und Maschinenführer, aber auch in die Hotellerie und Gastronomie vermitteln“, sagt Heckmann. Berufe, für die sich inländische Jugendliche wenig begeistern können. Drei Prozent der Ausbildungsverträge seien in diesem Jahr mit einem Flüchtling abgeschlossen worden, sagt Heckemann. Bei der Handwerkskammer waren es fast sieben Prozent. „Gerade viele Afghanen interessieren sich für das Handwerk“, sagt Zimmermann und lobt gleichzeitig das Engagement vieler Betriebe auf dem Gebiet. „Viele der Geflüchteten hatten lange oder haben noch keine Beschäftigungserlaubnis. Doch unsere Betriebe stehen hinter ihren Auszubildenden und kämpfen gegen die Widerstände an“, erzählt er.
Und das müssen sie auch. Denn heuer haben sich zwar mehr Jugendliche für eine Lehre entschieden, aber gleichzeitig suchen auch mehr Betriebe nach Auszubildenden und Lehrstellen bleiben unbesetzt. „Die Firmen haben längst verstanden, dass guter Nachwuchs aus dem eigenen Haus kommt, gerade in Zeiten, in denen Fachkräfte knapp sind“, sagt Heckemann.
Der Ausbildungsmarkt in Zahlen