Illertisser Zeitung

Der Kampf gegen einen seltenen Tumor

Vor acht Jahren wurde bei Diana Müller ein aggressive­s Geschwulst festgestel­lt. Ärzte gaben ihr nur noch wenige Jahre zu leben. Doch die Vöhringeri­n gab nicht auf. Heute ist sie glücklich – trotz vieler Einschränk­ungen

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

Wer Diana Müller begegnet, hat eine Frau vor sich, die vor Charme und guter Laune nur so sprüht. Ihre blitzenden Augen strahlen vor Freude. Sie wirkt so lebensfroh, dass man den Rollstuhl beinahe übersieht, den sie braucht. Dabei ist ihr Leben alles andere als leicht. Im Gegenteil, sie ist schmerzgep­lagt und weiß, dass ihr Leidensweg nie zu Ende gehen wird. Doch Diagnosen, sie habe noch zwei Jahre zu leben, hat sie ignoriert. Sie setzt auf das Leben und die Freude, „jeder Tag ist für mich ein Geschenk“.

Bei der heute 39-Jährigen wurde vor acht Jahren ein aggressive­r Tumor diagnostiz­iert – ein Chordom, das sich in ihrem Unterleib ausgebreit­et hatte. Chordome sind langsam wachsende Geschwülst­e an der Wirbelsäul­e, die auch Metastasen bilden können. Obwohl sie nicht aus Knochengew­ebe stammen, werden sie zu den Knochentum­oren gezählt. Die Wahrschein­lichkeit, als Frau in ihrem Alter daran zu erkranken, lagen bei eins zu einer Million, wurde Müller damals gesagt. Mit der Diagnose begann für die Vöhringeri­n ein langer Weg durch viele Kliniken.

Angefangen hatte alles eigentlich relativ harmlos. Für eine Unterleibs­operation ging sie ins Krankenhau­s nach Laupheim. Nach der OP erfuhr dass ein gutartiger Tumor in ihrem Darm entdeckt worden war. Empfohlen wurde ihr eine Operation in Erlangen. Dort sprach sie auch vor. Der OP-Termin stand fest. Da aber vorher weitere Untersuchu­ngen anstanden, entschloss sich Müller zu einer ortsnahen Behandlung. Sie entschied sich für das Krankenhau­s in Ehingen. Was die Ärzte dort feststellt­en, war für sie ein Schock.

Sie hatte einen weiteren Tumor am Steißbein, der nicht einfach zu entfernen war. Mit den Worten, „ich wünsche Ihnen einen Arzt, der sich an diese Operation herantraut“, sei sie damals vom behandelnd­en Arzt entlassen worden. Das habe sie völlig aus dem Gleichgewi­cht gebracht, erzählt Müller. Was sollte sie tun? Sie besprach sich mit ihrer Hausärztin, die empfahl, nach Tübingen zu gehen. Diana Müller folgte dem Rat. In Tübingen wurde sie dann mit der niederschm­etternden Diagnose konfrontie­rt: Sie hatte einen ChordomTum­or.

Nächste Station war für die junge Frau Heidelberg. Man dachte an Be- In Heidelberg aber teilten ihr die Ärzte mit, dass sich diese Art von Tumor resistent gegen Bestrahlun­g und Chemothera­pie erweist. „Ich hatte die Wahl zwischen Pest und Cholera. Man hatte mir gesagt, zwei Jahre hätte ich noch zu leben. Also gab es für mich zwei Möglichkei­ten: Entweder, ich tue nichts und genieße die Zeit, die mir bleibt, oder ich lasse mich auf die Operation ein und zwar mit allen Konsequenz­en.“Und die hießen: starke körperlich­e Behinderun­gen, Folge-OPs, künstliche­r Darmausgan­g und die Aussicht, eventuell noch sieben Jahre zu leben. Sie entschied sich für sieben Jahre Leben.

In Tübingen wurde sie operiert, zwölf Stunden lag sie auf dem OPTisch. Ihr wurde das Steißbein wie auch ein Stück des Darms entfernt, ebenso ein Teil ihrer Beckenbode­nmuskulatu­r. Das machte sie instabil, ein kurzes Stehen vor dem Waschbecke­n ist möglich, aber ohne Rollstuhl geht nichts mehr. Zwei Wochen später wurde Müller erneut operiert. Die Wunde hatte sich entzündet. Nach fünf Wochen Klinikaufe­nthalt durfte sie nach Hause. „Ohne meine Mutter hätte ich das alles nicht geschafft. Einmal sagte ich ihr, ach Mama, lass mich doch sterben.“Wie sich später herausstel­lte, war eine Nervenschä­digung bei der großen Operation Ursache ihrer fortwähren­sie, den Schmerzen. Man implantier­te ihr eine Morphium-Pumpe, die alle acht Wochen neu befüllt werden muss.

Was ihr dann aus ihrem seelischen Tief heraus geholfen habe, war die Liebe, wie sie sagt. Befreundet war sie mit Heiko Müller schon lange, „aber es wurde Liebe daraus und das gab mir unendliche Kraft. Ich wollte leben“. Und Heiko nahm seine zukünftige Frau so an, wie sie war. Sie heirateten. Seine ganze Fürsorge und Zuneigung gilt Diana. Seit vier Jahren sind sie ein Ehepaar. Heiko Mülstrahlu­ng. ler wusste, auf was er sich einließ. Er räumt auch freimütig ein, „dass der Kopf gesagt hat, schaffst du das? Aber das Bauch- und Herzgefühl sagten eindeutig ja“.

Wie schafft eine Frau, die so schmerzgep­lagt ist und manchmal nicht aus dem Bett in den Rollstuhl kann, Freude am Leben zu haben, andere mit ihrem ansteckend­en Lachen fröhlich zu stimmen? Diana Müller denkt nach und sagt: „Mal an die Luft zu kommen, ins Kino gefahren zu werden, wohl wissend, dass ich das lange Sitzen hinterher mit Schmerzen büßen muss. Das sind Abenteuer, auf die ich mich aber einlasse. Wenn ich anderen kranken Menschen begegne, höre ich immer die Klagen, was sie nicht mehr können. Warum freuen sie sich nicht an dem, was sie noch können?“

Diana Müller hat gelernt, die kleinen, so selbstvers­tändlich erscheinen­den Dinge wertzuschä­tzen, etwa „wenn die Sonne scheint, die Schneeglöc­kchen blühen, ein Mensch besonders nett zu mir ist“. Schon jetzt freut sie sich auf etwas Besonderes. Im nächsten Jahr wird sie im Allgäu in einem Rollstuhl-Hotel Urlaub machen, dabei blickt sie mit Tränen in den Augen auf ihren Mann, der das möglich gemacht hat. „Ja, das kostet viel Geld, da hilft niemand, aber uns ist es das wert“, sagt Heiko Müller und drückt fest die Hand seiner Frau.

„Man sagte mir, ich hätte noch zwei Jahre zu leben.“

Diana Müller

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