Ein Grab und seine Geheimnisse
In Illereichen sind vier Pfarrer an einer Stelle bestattet. Ihre letzte Ruhestätte wurde kürzlich saniert. Eine Spurensuche offenbart Erstaunliches über die Priester
Allerheiligen, Allerseelen und Totensonntag: Der November steht im Zeichen des Gedenkens. Dazu regt auch das Priestergrab auf dem Illereicher Friedhof an, das kürzlich restauriert worden ist. „Teilweise waren die Namen nicht mehr lesbar“, sagt Kirchenpfleger Michael Briglmeir. So wurden der Grabstein gereinigt und fehlende Buchstaben wieder ersetzt. Die Kosten in Höhe von rund 400 Euro hat die Marktgemeinde übernommen. Nun kann man sie wieder lesen, die Namen der vier Priester, hinter denen sich Geschichten, Geschichte und auch in Vergessenheit geratene Taten verbergen.
„Hier ruht in Frieden unser lieber unvergesslicher Seelenhirte“, steht bei Pfarrer Anton Köberle. Von 1905 bis zu seinem Sterbejahr 1932 war er Pfarrer von Illereichen, er ist Ehrenbürger der Gemeinde. Was die Inschrift nicht verrät – der Geistliche war auch Komponist und Dichter. Günther Backhaus, Heimatkundler aus Altenstadt, wurde vor knapp 30 Jahren zufällig darauf aufmerksam. Damals hörte er bei einem Gottesdienst ein Orgelstück, das er nicht kannte und das „irgendwie etwas weltlich klang“, wie er sich heute erinnert. Backhaus ging der Sache nach und erfuhr, dass das Musikstück von Pfarrer Köberle stammt. Und zwar aus einem kirchlichen Liederzyklus mit dem Titel „Mein Memento“, für das der Pfarrer die Musik und auch einen Text schrieb. Im Laufe der Jahre fand Backhaus noch weitere seiner Werke. So schrieb der Geistliche „Das Heimatlied“für Illereichen und Gedichte über das dortige Große Tor sowie eines zur Glockenweihe 1925. Im Krankenhaus verfasste er gut ein halbes Jahr vor seinem Tod „Ein Röslein“: Verse, die er von dort als Weihnachtsgruß seiner Pfarrgemeinde schickte.
Das war im Dezember 1931. Anfang Juli 1932 starb er. Hermann Einhauser trat seine Nachfolge als Pfarrer an und wirkte bis 1942. In einer schweren Zeit: Die Diktatur der Nationalsozialisten beherrschte Deutschland, der Zweite Weltkrieg wütete. Ein strenger Pfarrer soll Einhauser gewesen sein – das hat Heimatforscher Alwin Müller von älteren Mitbürgern erfahren. Müller liegt die jüdische Geschichte Altenstadts und der Umgebung am Herzen: So weiß er, dass Einhauser zu Hermann Rose, dem letzten jüdischen Lehrer des Orts ein gutes Verhältnis gehabt haben soll – trotz des um sich greifenden Antisemitismus. Auch hielt Pfarrer Einhauser offenbar nichts davon, dass in der Nazizeit kirchliche Feiertage wie Fronleichnam abgeschafft wurden. „Arbeitsfreie Tage unter der Woche hätten die Leute von der Arbeit abgehalten“, erklärt Müller. Der Pfar- habe dennoch eine Fronleichnamsprozession organisiert, Messen abgehalten und sich in seinen Predigten nazikritisch geäußert – weshalb er mehrfach Verweise erhalten habe und öffentlich diffamiert worden sein soll. So ist wohl der Satz zu verstehen, der in den Geschichtsunterlagen neben dem Sterbebild zu lesen ist: „Hatte in der Hitlerzeit manches zu leiden.“
In der Zeit von 1937 bis 1940 stand Meinrad Sigg Einhauser als Kaplan zur Seite. Jener war ebenfalls regimekritisch, wurde mehrfach verhört und saß zudem mehrere Monate in Untersuchungshaft, ist zu erfahren. Sigg starb 1986 in Landsberg, im Illereicher Priestergrab ist er nicht erwähnt.
Von 1942 bis 1956 war dann Anton Saulacher Pfarrer in Illereichen. Er schaffte es, bereits im August 1945, also gut zwei Monate nach Kriegsende, den Kindergarten in Altenstadt in der Memminger Straße wiederzueröffnen. Bis Mai 1945 war dort noch der Kindergarten der Nationalsozialisten „Volkswohlfahrt“untergebracht gewesen. Saulacher machte nun eine kirchliche Einrichtung daraus. Er war es auch, der nach dem Krieg die große Weihnachtskrippe in der Kirche in Illereichen bauen ließ: Im vergangenen Jahr wurde sie restauriert. Dabei wurden unter alten Moosschichten kleine Krippenfiguren entdeckt, die vermutlich von Pfarrer Saulrer acher stammen. Diese waren im Laufe der Jahre in das weiche Moos eingesunken und vergessen worden.
Viertens ist auf dem Grabstein der Name Franz Holaschke zu finden. Er war Jurist und Religionsprofessor aus dem sudetendeutschen Mährisch-Trübau im heutigen Tschechien. Als nach dem Krieg die vielen Sudetendeutsche ihre Heimat verlassen mussten, blieb er, um sich seelsorgerisch um die wenigen Verbliebenen zu kümmern. Später wurde ihm dann die Ausreise verweigert. Erst nach vielen Jahren erhielt er 1961 die Genehmigung dazu. Er zog zu seiner Schwester nach Illereichen, wo er bis zu seinem Tod 1964 als Aushilfspriester tätig war.
An ihn und die drei anderen Geistlichen erinnert das Priestergrab. Es birgt einige Geheimnisse.
Unter Moosschichten wurden Figuren entdeckt