Staat reagiert auf Kinderporno Affäre
Ein Gutachterbüro wollte die Auswertung heikler Ermittlungsdaten von Minijobbern in Heimarbeit erledigen lassen. Ermittler waren alarmiert. Künftig soll so etwas verhindert werden
Die Stellenanzeige klang für die Augsburgerin Susanne W.* interessant. Sie war auf der Suche nach einem Nebenjob. Eine Firma suchte „forensische Bildauswerter“auf 450-Euro-Basis. Die Voraussetzungen laut Anzeige: Man benötige einen Computer sowie „etwas Erfahrung mit Computern“. Nach einer mehrtägigen Schulung könne man die Aufträge, wann immer man wolle, von zu Hause aus bearbeiten. Als Susanne W. sich bei der Firma im Raum Augsburg meldete, erfuhr sie, worum es ging. Um die Auswertung von Kinderpornografie.
Der Fall wurde im vergangenen Jahr durch Recherchen unserer Zeitung bekannt. Er bestätigte die Bedenken von Datenschützern, die die Auswertung sensibler Ermittlungsdaten durch Privatfirmen schon seit längerer Zeit kritisch sehen. Die Behörden allerdings entgegnen, sie seien mit der Datenflut überfordert, mit der sie gerade bei Ermittlungs- verfahren wegen Kinderpornografie häufig konfrontiert seien. Man müsse auf private Anbieter zurückgreifen. Dass die Aufgabe in Heimarbeit erledigt wird, ist jedoch nicht vorgesehen. Zu groß ist das Risiko, dass die Daten so in falsche Hände geraten. Selbst wenn die Datenverbindung speziell verschlüsselt ist.
Die Gutachter-Firma aus der Region Augsburg, die das Konzept der Heimarbeit in Stellenanzeigen bewarb, habe damit gegen Richtlinien für den Schutz der Daten verstoßen, sagt Matthias Nickolai, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Augsburg. Deshalb sei die Zusammenarbeit im Spätsommer vorigen Jahres auch auf Eis gelegt worden, als die Vorwürfe bekannt wurden. Eine Prüfung habe inzwischen ergeben, dass der Umgang mit den Daten in diesem Punkt zwar zu lax war. Allerdings fanden sich keine Hinweise darauf, dass dadurch tatsächlich Daten wie Kinderporno-Fotos in die falschen Hände geraten sind. Deshalb werde gegen die Verantwortlichen der Firma kein Strafverfahren eingeleitet. Man kann sich das im übertragenen Sinn so vorstellen: Die Haustür war nicht korrekt abgeschlossen, es kam aber zum Glück kein Dieb vorbei.
Inzwischen sei gewährleistet, dass das Gutachterbüro alle Vorgaben für den korrekten Umgang mit Ermittlungsdaten einhalte. „Eine Begutachtung von relevanten Datenträgern außerhalb der Betriebsräume“sei „in Zukunft ausgeschlossen“, sagt Manfred Gottschalk, der Sprecher der Augsburger Polizei. Nicht nur die Kripo in Augsburg griff auf die Hilfe des Gutachters zurück, auch andere Polizei- und Justizbehörden ließen durch das ITBüro Datenträger auswerten. Auch künftig soll der Gutachter wieder für Polizei und Justiz arbeiten können. Die Verstöße sind aus Sicht von Staatsanwaltschaft und Polizei in Augsburg nicht so gravierend gewesen, dass die Zusammenarbeit beendet werden müsse, heißt es. Die Mitarbeiter des Gutachters würden vorab alle auf ihre Zuverlässigkeit überprüft. Unter anderem dürften sie nicht vorbestraft sein.
Susanne W. war über das Stellenangebot so empört, dass sie unter anderem das Innenministerium informierte. In einem Schreiben an die Behörden zitiert sie aus dem Gespräch, das sie mit einer Vertreterin der Firma führte. Die Frau habe ihr gesagt: „Sie müssen selbst wissen, ob Sie diese Bilder anschauen wollen. Es geht um Kinderpornografie, beispielsweise um vergewaltigte Babys, um das Einschätzen des Alters der Kinder.“Susanne W. sagt, sie konnte sich nicht vorstellen, dass ein paar Tage Schulung reichen, um diesen belastenden Job auszuüben.
Im Innenministerium hat man den Fall zum Anlass genommen, die Richtlinien, die für die Zusammenarbeit der staatlichen Ermittler mit privaten Firmen gelten, unter die Lupe zu nehmen. Das Konzept werde derzeit „aufgrund der aktuellen Vorfälle überprüft und fortgeschrieben“, sagte ein Sprecher auf Anfrage unserer Zeitung.