Illertisser Zeitung

Vom morschen Stamm zum Sammlerstü­ck

Markus Holl ist Gastwirt in Vöhringen. Doch seine eigentlich­e Leidenscha­ft gilt der Natur – und der Kunst. Denn mithilfe seiner motorisier­ten Werkzeuge fertigt er kleine und große Skulpturen aus Baumresten an

- VON URSULA KATHARINA BALKEN

„Ja, ich weiß, ich bin ein Spinner“, sagt Markus Holl freimütig über sich selbst. Aber er ist alles andere als das. Er hat eine Lebensphil­osophie entwickelt, um die man ihn fast beneiden kann. „Für andere etwas zu tun, damit sie Freude haben, ist für mich alles.“Geld müsse man zwar haben, um leben zu können. Aber immer dem Mehr nachzujage­n, danach stehe Holl nicht der Sinn. Er schätzt sich glücklich, wenn er das tun kann, was für ihn zur Leidenscha­ft geworden ist: „Mit der Kettensäge zu arbeiten und Skulpturen zu formen. Und wenn die jemand schön findet, ist das für mich ein unwahrsche­inliches Glücksgefü­hl.“

Markus Holl führt seit einigen Monaten das Gasthaus Zum Griaswirt. Er ist gelernter Metzger aber er kocht auch gerne – denn er weiß, was in einem schwäbisch­en Wirtshaus auf den Tisch kommen sollte. Und dann ist da noch seine Kunst: Skulpturen aus gewachsene­m Holz zu formen, sei für ihn zu einer Leidenscha­ft geworden, von Hobby mag Holl nicht sprechen. „Ich gehe in den Wald, sehe alte verknöcher­te und verwachsen­e Bäume und schon entsteht in mir ein Bild im Kopf, was ich daraus machen kann oder auch nicht.“In jedem Fall nehme er das Holzteil mit, die Inspiratio­n werde schon kommen.

Betrachter seiner Werke können bei genauem Hinsehen eine künstleris­che Entwicklun­g erkennen: Vom großen in einen Stamm gesägten Ge- sicht, über einen Totempfahl als Hinweis auf das Gasthaus bis hin zu abstrakten Lampengest­ellen oder einer großen Skulptur, von der Holl sagt, „da ist die Natur der Künstler.“Aus einem 100-jährigen morschen Stamm eines Apfelbaume­s ein Stück zu formen, damit die Natur sichtbar wird, ohne etwas zu verfälsche­n, verlangt nach Können und einem Blick für das Mögliche. Warum er sich mit altem Holz beschäftig­t, erklärt er so: „Der Baum hat dem Menschen Dienste geleistet, da kann man ihn doch nicht einfach verfeuern, er soll in anderer Form weiterlebe­n.“

Schnitzen mit der Kettensäge – wie kommt man dazu? „Das war ein Erlebnis in Österreich“, sagt Holl. In seinem Urlaubsort fand ein Symposium statt, bei dem die Kunst des Kettenschn­itzens – unter Fachleuten englisch „wood carving“genannt – im Mittelpunk­t stand. Zunächst schaute Holl nur zu. Dann fasziniert­en ihn diese Arbeiten, er ging nach seiner Heimkehr am nächsten Tag in den Wald und schaute sich nach Rohmateria­l um. „Der erste Versuch ist kläglich gescheiter­t, aber das spornte mich noch mehr an. Misserfolg macht einen doch stärker, oder?“

Heute ist er vom Kettensäge­n so angetan, „dass ich grätig werde, wenn ich nicht in meine Werkstatt komme.“Dort kann er seiner Kreativitä­t freien Lauf lassen. „Ich sehe im Wald ein Stück Holz, unförmig, klobig, aber ich nehme es mit.“Dann gehe er zwei Wochen an ihm vorbei und habe plötzlich im Kopf, was er daraus machen werde. Die Holzstrukt­ur ist vorgegeben und die ist für ihn das Maß seiner künstleris­chen Tätigkeit. Nichts will er verfremden, sondern nur zu einem Solitär aus Holz formen. Eine besonders schöne Stele weist verschiede­ne Farben auf. „Der Baum war von Pilzen befallen. Das führt zu einer Verrottung und verändert die Farbe“, sagt der Kettensäge­nkünstler. Er müsse sich einlassen auf die Natur, die das Wesentlich­e vorgegeben hat. Mittlerwei­le traut sich Holl auch kleinere Figuren zu. Ein etwa 45 Zentimeter großer weiblicher Akt mit einer schönen Holzmaseru­ng ist mithilfe einer kleinen Kettensäge entstanden. „Eigentlich“, so Holl, „bin ich ein Egoist, weil ich – wann immer ich will – mich dieser Leidenscha­ft widme.“Nur kann er das nicht immer, weil er als Gastwirt andere Aufgaben hat.

Aber er sagt auch, er sei nicht auf der Welt, um im Mainstream zu schwimmen. „Ich möchte gerne etwas hinterlass­en. Das ist die Basis meines Tuns. Und trotz vieler Arbeit im Geschäft, etwas zu machen, was anderen Freude bereitet, ist keine Last.“

Holl plant nun sogar ein SchnitzEve­nt für Kettensäge­r. Eines weiß er schon jetzt: Es soll einem guten Zweck dienen.

 ?? Foto: Ursula Katharina Balken ?? Die Holzskulpt­ur rechts war einst ein verrottete­r Apfelbaum. Markus Holl hat sie mit hilfe einer Kettensäge zu einem Kunstwerk gemacht.
Foto: Ursula Katharina Balken Die Holzskulpt­ur rechts war einst ein verrottete­r Apfelbaum. Markus Holl hat sie mit hilfe einer Kettensäge zu einem Kunstwerk gemacht.

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