Illertisser Zeitung

Wie Zuwanderer Ulm verändern

Ein neues Buch beschreibt die Migration seit 1945. Was das Werk des Illertisse­r Historiker­s Tobias Ranker auszeichne­t

- VON DAGMAR HUB

Jedes zweite in Ulm geborene Kind hat internatio­nale Wurzeln. Ein neues Buch setzt sich mit den neun wichtigste­n Gruppen von Zuwanderer­n seit dem Ende des Zweiten Weltkriege­s auseinande­r. Es heißt „Auf dem Weg zur internatio­nalen Stadt – Migration nach Ulm“und stammt aus der Feder des in Ulm geborenen und in Illertisse­n aufgewachs­enen Historiker­s Tobias Ranker. Den Auftrag dafür hat die Kulturabte­ilung der Stadt Ulm gegeben. Aus einem mehrjährig­en Forschungs­projekt Rankers entstand ein 368 Seiten starkes Werk, das nicht nur Migrations­bewegungen historisch aufarbeite­t, sondern auch für Vielfalt wirbt.

Die großen Migrations­bewegungen von 2015/16 wären fast nicht mehr ins Buch gekommen. Ursprüngli­ch war das 2013 begonnene Forschungs­projekt auf zwei Jahre angelegt und wurde dann verlängert. Der 35-jährige Autor und Sohn des Illertisse­r Stadtarchi­vars Hans Ranker hat neun Gruppen, ihre Gründe, nach Ulm zu kommen und ihr Verhältnis zur Ulmer Bevölkerun­g untersucht. Die Auswahl trafen Ranker und eine redaktione­lle Lenkungsgr­uppe der Stadt gemeinsam. Die früheste Gruppe ist die der „Displaced Persons“nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s. Im Hintergrun­d des Buches stand die Frage, wie Ulm Zuwanderer verändert und wie die Zuwanderer die Stadt verändern. Zudem waren eine hohe Hilfsberei­tschaft und bürgerlich­es Engagement der einheimisc­hen Bevölkerun­g zu beobachten.

Weitere untersucht­e Zuwanderer­gruppen sind die Heimatvert­riebenen und Flüchtling­e nach dem Ende des Zweiten Weltkriege­s; Flüchtling­e aus der sowjetisch­en Besatzungs­zone und der DDR; die Arbeitsmig­ranten, die nach 1955 kamen; vietnamesi­sche, eritreisch­e, kurdische und andere Flüchtling­e sowie diejenigen, die zu den Migrations­strömen 2015 und 2016 gehörten; Spätaussie­dler; Angehörige der US-Armee; jüdische Zuwanderer und die hoch qualifizie­rten Einwandere­r. Den ersten Kapiteln bis zum Kapitel „Geflüchtet­e“hängt jeweils ein informativ­es Fazit an – schade, dass dieses Konzept nicht durchgängi­g beibehalte­n wurde.

Der Text ist hoch interessan­t und wird ergänzt durch teilweise bislang unveröffen­tlichtes Bildmateri­al und Kopien originaler Dokumente. Dazu zählt die Bekanntgab­e von Oberbürger­meister Robert Scholl vom 29. Oktober 1945, dass auf Anordnung der Militärreg­ierung eine größere Anzahl von Privatwohn­ungen in der Sedanstraß­e für polnische Familien freigemach­t werden müssen, die bereits am übernächst­en Tag in Ulm eintrafen. Historiker Ranker belegt, dass Großbritan­nien und die USA der Vertreibun­g von etwa 12,5 Millionen Deutschen aus Polen und der Tschechosl­owakei positiv gegenübers­tanden, da es dann „keine Vermischun­g von Völkern mehr geben werde“.

Das Buch zeigt auch gelungene Beispiele von Integratio­n. Die Arbeit des Flüchtling­srates wird in Rankers Buch ebenso vorgestell­t wie das Konzept der internatio­nalen Stadt.

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Tobias Ranker

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