Frau Schwarzer in Nordafrika
Die Frauen-Ikone und ihre geheime Familie
Überrascht? Deutschlands bekannteste Frauenrechtlerin Alice Schwarzer ist Teil einer nordafrikanischen Großfamilie. Und sie wirft sich auch schon mal „laut jammernd aufs Bett“, wenn sie nicht weiß, was sie anziehen soll. Schauplatz ist Algier. Eine Hochzeit steht an und Schwarzer hat nur ein Abendkleid dabei. „Die Braut aber wird sieben Kleider tragen. Hintereinander. Und alle weiblichen Gäste mindestens fünf.“Mit dieser Szene beginnt das Buch „Meine algerische Familie“– eine Art Doppelporträt. Das Schicksal des größten afrikanischen Landes steht im Mittelpunkt.
Es geht um religiöse Radikalisierung, Kopftuch, Koran, islamistische Bedrohung und eine „wackelige Demokratie“. Und um die Familie der Journalistin Djamila, die Schwarzer kennenlernte, als Djamila einige Jahre im Kölner Exil arbeitete. „In den drei Generationen dieser Familie zwischen Tradition und Moderne spiegelt sich die dramatische Geschichte des Landes“, schreibt Schwarzer. Also Kolonialzeit, Unabhängigkeitskrieg, Bürgerkrieg in den 1990ern bis hin zum „heutigen Stillstand, der eine Ruhe vor dem Sturm sein könnte“. Authentisch und spannend, vor allem weil die Familienmitglieder selbst zu Wort kommen. Djamila: „Heute sind Alkohol und Kopftuch die Zeichen, an denen wir Algerier uns erkennen. Jeder, der noch in Gegenwart anderer trinkt, ist mit Sicherheit kein Islamist.“
Kiepenh. & Witsch, 224 S., 22 ¤