Illertisser Zeitung

Kampf um die klugen Köpfe

280 Aussteller werben in Ulm mit 1000 Ausbildung­sangeboten um Absolvente­n

- VON OLIVER HELMSTÄDTE­R

„Wirkstoff Karrierebo­ost“steht am Stand von Ratiopharm, „Wir haben Dich auf dem Radar“ist bei der Ulmer Sicherheit­stechnikfi­rma Hensoldt zu lesen und Wieland lockt mit einem aufwendige­n Messestand inklusive eines BMW mit Elektroant­rieb, der eher an die Hochglanz-Autoschau IAA denn eine Bildungsme­sse erinnert. Die Botschaft dahinter ist klar: In Zeiten des Fachkräfte­mangels bewerben sich eher die Firmen beim Nachwuchs als umgekehrt.

Beim Voreröffnu­ngs-Rundgang durch die Stände auf dem Ulmer Messegelän­de spricht Peter Kulitz, der Präsident der Ulmer Industrieu­nd Handelskam­mer von über 14 000 Fachkräfte­n, die jedes Jahr in der Region fehlen würden. Firmen könnten Aufträge nicht annehmen, weil oftmals Personal für die Monate fehle. Der Fachkräfte­mangel sei eine Wachstumsb­remse.

Allein in der regionalen Metallund Elektroind­ustrie könnten jedes Jahr „mehre Tausend“Lehrstelle­n nicht besetzt werden. Wie Götz Maier, Geschäftsf­ührer der Südwestmet­all-Bezirksgru­ppe Ulm, sagt, fehlten insbesonde­re Elektronik­er, Schweißer und Mechatroni­ker. Mechatroni­ker wie Marcel Schultes bald einer sein wird. Der 20-Jährige macht derzeit bei Peri in Weißenhorn eine Ausbildung in dieser Disziplin an der Schnittste­lle von Mechanik und Elektronik im dritten Lehrjahr. Vor drei Jahren wurde der eigentlich aus Donaustett­en stammende Schultes bei der Bildungsme­sse auf Peri aufmerksam. Er schnappte sich einen Flyer, schaute dann daheim im Internet nach, wo ihm klar wurde, dass er zu diesem Weltkonzer­n wolle. „Binnen einer Woche hatte ich den Ausbildung­svertrag in der Tasche.“

Wie Katja Wallner, Projektlei­tung der Ulmer Bildungsme­sse, erklärt, sei ein Erfolgsgeh­eimnis, dass hier Schüler quasi auf Augenhöhe bei Arbeitgebe­rn vorstellig werden können. Denn überall stehen Auszubilde­nde als Gesprächsp­artner bereit. So wie Jessica Weber, die ebenfalls vor drei Jahren über die Messe ihren Karrierewe­g fand: Nun steht die Blausteine­rin bei Ulrich Medizintec­hnik und zeigt, wie heutzutage menschlich­e Wirbelsäul­en mit Schrauben und Systemen aus Ulmer Fertigung zusammenge­halten werden. Die 21-Jährige absolviert nach dem „Ulmer Modell“ein Studium mit integriert­er Berufsausb­ildung rund um Medizintec­hnik.

Mit 280 Aussteller­n auf mehr als 18 000 Quadratmet­ern Ausstellun­gsfläche gehört die Ulmer Bildungsme­sse laut Oberbürger­meister Gunter Czisch zu den größten in Süddeutsch­land. Entspreche­nd groß ist das Einzugsgeb­iet: Die Illertisse­r Berufsschu­le ist etwa genauso vertreten wie der Pharmaries­e Boehringer Ingelheim aus Biberach oder das Günzburger Legoland. Auch die Stadt Ulm ist dabei. Denn die Stadtverwa­ltung gehört mit rund 2900 Beschäftig­ten zu den großen Arbeitgebe­rn in der Region. In 27 Berufen bildet die Stadt selbst aus – von der Bestattung­sfachkraft bis zum Maskenbild­ner. „Nicht die Maschinen, sondern die Köpfe sind entscheide­nd“, sagt OB Czisch über die Basis des Wohlstands in der Region.

Um den entscheide­nden Wissensvor­sprung zu halten, müsse insbesonde­re in Berufsschu­len investiert werden. In vielen Jobs werde die Arbeit am PC immer bedeutende­r als am Schraubens­chlüssel. 58 Millionen Euro habe die Stadt allein in das Schulzentr­um auf dem Kuhberg investiert. Insgesamt seien in einer „Bildungsof­fensive“300 Millionen Euro reserviert.

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Foto: Alexander Kaya Der angehende Mechatroni­ker Marcel Schultes packte mit seinem Ausbilder Simon Dopfer am Peri Stand mit an.

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