Kampf um die klugen Köpfe
280 Aussteller werben in Ulm mit 1000 Ausbildungsangeboten um Absolventen
„Wirkstoff Karriereboost“steht am Stand von Ratiopharm, „Wir haben Dich auf dem Radar“ist bei der Ulmer Sicherheitstechnikfirma Hensoldt zu lesen und Wieland lockt mit einem aufwendigen Messestand inklusive eines BMW mit Elektroantrieb, der eher an die Hochglanz-Autoschau IAA denn eine Bildungsmesse erinnert. Die Botschaft dahinter ist klar: In Zeiten des Fachkräftemangels bewerben sich eher die Firmen beim Nachwuchs als umgekehrt.
Beim Voreröffnungs-Rundgang durch die Stände auf dem Ulmer Messegelände spricht Peter Kulitz, der Präsident der Ulmer Industrieund Handelskammer von über 14 000 Fachkräften, die jedes Jahr in der Region fehlen würden. Firmen könnten Aufträge nicht annehmen, weil oftmals Personal für die Monate fehle. Der Fachkräftemangel sei eine Wachstumsbremse.
Allein in der regionalen Metallund Elektroindustrie könnten jedes Jahr „mehre Tausend“Lehrstellen nicht besetzt werden. Wie Götz Maier, Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe Ulm, sagt, fehlten insbesondere Elektroniker, Schweißer und Mechatroniker. Mechatroniker wie Marcel Schultes bald einer sein wird. Der 20-Jährige macht derzeit bei Peri in Weißenhorn eine Ausbildung in dieser Disziplin an der Schnittstelle von Mechanik und Elektronik im dritten Lehrjahr. Vor drei Jahren wurde der eigentlich aus Donaustetten stammende Schultes bei der Bildungsmesse auf Peri aufmerksam. Er schnappte sich einen Flyer, schaute dann daheim im Internet nach, wo ihm klar wurde, dass er zu diesem Weltkonzern wolle. „Binnen einer Woche hatte ich den Ausbildungsvertrag in der Tasche.“
Wie Katja Wallner, Projektleitung der Ulmer Bildungsmesse, erklärt, sei ein Erfolgsgeheimnis, dass hier Schüler quasi auf Augenhöhe bei Arbeitgebern vorstellig werden können. Denn überall stehen Auszubildende als Gesprächspartner bereit. So wie Jessica Weber, die ebenfalls vor drei Jahren über die Messe ihren Karriereweg fand: Nun steht die Blausteinerin bei Ulrich Medizintechnik und zeigt, wie heutzutage menschliche Wirbelsäulen mit Schrauben und Systemen aus Ulmer Fertigung zusammengehalten werden. Die 21-Jährige absolviert nach dem „Ulmer Modell“ein Studium mit integrierter Berufsausbildung rund um Medizintechnik.
Mit 280 Ausstellern auf mehr als 18 000 Quadratmetern Ausstellungsfläche gehört die Ulmer Bildungsmesse laut Oberbürgermeister Gunter Czisch zu den größten in Süddeutschland. Entsprechend groß ist das Einzugsgebiet: Die Illertisser Berufsschule ist etwa genauso vertreten wie der Pharmariese Boehringer Ingelheim aus Biberach oder das Günzburger Legoland. Auch die Stadt Ulm ist dabei. Denn die Stadtverwaltung gehört mit rund 2900 Beschäftigten zu den großen Arbeitgebern in der Region. In 27 Berufen bildet die Stadt selbst aus – von der Bestattungsfachkraft bis zum Maskenbildner. „Nicht die Maschinen, sondern die Köpfe sind entscheidend“, sagt OB Czisch über die Basis des Wohlstands in der Region.
Um den entscheidenden Wissensvorsprung zu halten, müsse insbesondere in Berufsschulen investiert werden. In vielen Jobs werde die Arbeit am PC immer bedeutender als am Schraubenschlüssel. 58 Millionen Euro habe die Stadt allein in das Schulzentrum auf dem Kuhberg investiert. Insgesamt seien in einer „Bildungsoffensive“300 Millionen Euro reserviert.