So demonstriert das Netz gegen ein umstrittenes Verbot
Ärzte dürfen nicht für Abtreibung werben. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung hält das für falsch
Sich den Mund zukleben, um lautstark zu protestieren: Das machen zur Zeit Nutzer mit ihren Porträtbildern auf Instagram, Facebook und Snapchat. Unter den Fotos fordert ein Hashtag „wegmit219a“.
Der Paragraf 219a, um den es bei der Aktion geht, stammt aus dem Strafgesetzbuch (StGB). Danach ist es Ärzten verboten, für Abtreibungen zu werben. Das heißt konkret: Sie dürfen weder auf ihrer Homepage schreiben, dass sie in ihrer Praxis Abtreibungen vornehmen, noch allgemein über den Eingriff informieren. Im November vergangenen Jahres hatte genau diese Regelung zur Verurteilung einer Gießener Ärztin geführt. Die Gynäkologin Kristina Hänel hatte auf ihrer Homepage Informationsmaterial zur Abtreibung angeboten. Die Staatsanwaltschaft sah dadurch den Tatbestand des Paragrafen 219 a StGB verwirklicht, das Gericht auch und so wurde Hänel im November zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. In den sozialen Netzwerken brandete daraufhin heftige Kritik auf und Hänel startete eine Petition gegen die Regelung, die 153 000 Mal unterschrieben wurde. Im Dezember versprachen schließlich Abgeordnete von SPD, Grüne, Linke und Teile der FDP, dass sie den Paragrafen 219 a tatsächlich streichen wollen. Zurückhaltender reagierte die Union. Heute debattiert der Bundestag dann erstmals zu dem Thema. Das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung möchte nun Druck auf die Abgeordneten ausüben und rief den Hashtag „wegmit219a“ins Leben. „Frauen müssen sich über Fragen ihrer Gesundheit und ihrer medizinischen Versorgung frei informieren können“, sagt Sascha Döring vom Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung. Er ist überzeugt, dass das nach der aktuellen Gesetzeslage nicht der Fall ist.
Bisher müssen sich Frauen, die eine Schwangerschaft abbrechen wollen, von einer offiziellen Beratungsstelle über Risiken und Folgen einer Abtreibung informieren lassen. Erst nachdem die Schwangere das Gespräch geführt hat, darf der Arzt den Eingriff vornehmen.
Birgit Wölfert von der Neu-Ulmer Beratungsstelle Donum Vitae hält die momentane Debatte um den Paragrafen 219a für übertrieben. „Viele Ärzte wollen doch gar nicht an die große Glocke hängen, dass sie einen solchen Eingriff durchführen.“Sie fürchten Anfeindungen von Abtreibungsgegnern, denen sie lieber aus dem Weg gehen, weswegen sie auf ihrer Homepage zu dem Thema lieber nichts schreiben. Wölfert hat außerdem die Erfahrung gemacht, dass die meisten Frauen, durchaus wissen, welche Ärzte in der Region Abtreibungen vornehmen.
Die Listen, auf denen die jeweiligen Ärzte stehen, bekommen Frauen offiziell von Krankenkassen und dem Gesundheitsamt des Landkreises – unter der Hand auch von den Beratungsstellen. In aller Regel aber erfahren die Frauen von ihrem behandelnden Frauenarzt, welche Kollegen den Eingriff durchführen.
Die Beratungsstelle Donum Vitae ist skeptisch
„Ich weiß nicht, wie man jetzt darauf kommt, da gäbe es ein Informationsdefizit“, sagt Wölfert. Sie empfindet das aktuelle System nach wie vor als sehr gut und ist davon überzeugt, dass am Ende alleine die betroffene Frau entscheidet. Bei Donum Vitae wolle man jedenfalls den Entschluss der Schwangeren nicht beeinflussen. Im Gegenteil: Vor allem bespricht man, wie das Leben danach gut gelingen kann.