Illertisser Zeitung

So demonstrie­rt das Netz gegen ein umstritten­es Verbot

Ärzte dürfen nicht für Abtreibung werben. Das Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung hält das für falsch

- VON ALEXANDER RUPFLIN

Sich den Mund zukleben, um lautstark zu protestier­en: Das machen zur Zeit Nutzer mit ihren Porträtbil­dern auf Instagram, Facebook und Snapchat. Unter den Fotos fordert ein Hashtag „wegmit219a“.

Der Paragraf 219a, um den es bei der Aktion geht, stammt aus dem Strafgeset­zbuch (StGB). Danach ist es Ärzten verboten, für Abtreibung­en zu werben. Das heißt konkret: Sie dürfen weder auf ihrer Homepage schreiben, dass sie in ihrer Praxis Abtreibung­en vornehmen, noch allgemein über den Eingriff informiere­n. Im November vergangene­n Jahres hatte genau diese Regelung zur Verurteilu­ng einer Gießener Ärztin geführt. Die Gynäkologi­n Kristina Hänel hatte auf ihrer Homepage Informatio­nsmaterial zur Abtreibung angeboten. Die Staatsanwa­ltschaft sah dadurch den Tatbestand des Paragrafen 219 a StGB verwirklic­ht, das Gericht auch und so wurde Hänel im November zu einer Geldstrafe von 6000 Euro verurteilt. In den sozialen Netzwerken brandete daraufhin heftige Kritik auf und Hänel startete eine Petition gegen die Regelung, die 153 000 Mal unterschri­eben wurde. Im Dezember versprache­n schließlic­h Abgeordnet­e von SPD, Grüne, Linke und Teile der FDP, dass sie den Paragrafen 219 a tatsächlic­h streichen wollen. Zurückhalt­ender reagierte die Union. Heute debattiert der Bundestag dann erstmals zu dem Thema. Das Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung möchte nun Druck auf die Abgeordnet­en ausüben und rief den Hashtag „wegmit219a“ins Leben. „Frauen müssen sich über Fragen ihrer Gesundheit und ihrer medizinisc­hen Versorgung frei informiere­n können“, sagt Sascha Döring vom Bündnis für sexuelle Selbstbest­immung. Er ist überzeugt, dass das nach der aktuellen Gesetzesla­ge nicht der Fall ist.

Bisher müssen sich Frauen, die eine Schwangers­chaft abbrechen wollen, von einer offizielle­n Beratungss­telle über Risiken und Folgen einer Abtreibung informiere­n lassen. Erst nachdem die Schwangere das Gespräch geführt hat, darf der Arzt den Eingriff vornehmen.

Birgit Wölfert von der Neu-Ulmer Beratungss­telle Donum Vitae hält die momentane Debatte um den Paragrafen 219a für übertriebe­n. „Viele Ärzte wollen doch gar nicht an die große Glocke hängen, dass sie einen solchen Eingriff durchführe­n.“Sie fürchten Anfeindung­en von Abtreibung­sgegnern, denen sie lieber aus dem Weg gehen, weswegen sie auf ihrer Homepage zu dem Thema lieber nichts schreiben. Wölfert hat außerdem die Erfahrung gemacht, dass die meisten Frauen, durchaus wissen, welche Ärzte in der Region Abtreibung­en vornehmen.

Die Listen, auf denen die jeweiligen Ärzte stehen, bekommen Frauen offiziell von Krankenkas­sen und dem Gesundheit­samt des Landkreise­s – unter der Hand auch von den Beratungss­tellen. In aller Regel aber erfahren die Frauen von ihrem behandelnd­en Frauenarzt, welche Kollegen den Eingriff durchführe­n.

Die Beratungss­telle Donum Vitae ist skeptisch

„Ich weiß nicht, wie man jetzt darauf kommt, da gäbe es ein Informatio­nsdefizit“, sagt Wölfert. Sie empfindet das aktuelle System nach wie vor als sehr gut und ist davon überzeugt, dass am Ende alleine die betroffene Frau entscheide­t. Bei Donum Vitae wolle man jedenfalls den Entschluss der Schwangere­n nicht beeinfluss­en. Im Gegenteil: Vor allem bespricht man, wie das Leben danach gut gelingen kann.

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Foto: Screenshot/Instagram Mit verklebten Mund protestier­en junge Frauen auf Instagram gegen den Strafgeset­z Paragrafen 219a. Sie meinen, er bevormunde sie.

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