In der Dunkelheit an der Donau entlang
Deutsche und Afrikaner trainieren gemeinsam bei schlechtem Wetter auf holprigen Strecken
Aimen Haboubi, der bayrische Schwabe mit tunesischen Wurzeln, humpelt leicht. „Was ist los?“, fragt ihn sein Trainer Wieland Pokorny. „Ich bin umgeknickt“, antwortet der 33-jährige IT-Spezialist aus der Laufgruppe des SSV Ulm 1846, die sich auf die Mittel- und Langstrecken spezialisiert hat. Pokorny ist entsetzt: „Wenn einer aus dem Team ausfällt, brauchen wir bei der deutschen Meisterschaft gar nicht anzutreten.“Er spricht von der deutschen Crossmeisterschaft am 10. März im thüringischen Ordruf.
Haboubis Knöchel ist leicht geschwollen, aber es ist dann doch nicht weiter schlimm. Sein Teamkollege Korbinian Völkl ist Arzt und behandelt ihn gleich vor Ort. Die Sorgenfalten in Pokornys Gesicht glätten sich. Trotz des kleinen Unglücks und der Kälte ist die Stimmung bei den Männern gut. Sie sind schließlich keine Schönwetter-Läufer, im Winter sind sie als Crosser schlechte Witterung und etwas holprige Strecken wie die an der Donau gewohnt. Und übereinstimmend meinen die Topläufer der Ulmer Gruppe, zu der auch der Weißenhorner Fabian Konrad gehört: „Ein schweres Geläuf in Thüringen wäre für uns ein Vorteil.“Vor allem dem leichtfüßigen und wendigen Aimen Haboubi, der früher Fußball spielte, kämen solche Bedingungen entgegen.
Das Team hat für die deutsche Meisterschaft zwar keine konkrete Vorgabe von ihrem Trainer bekommen, aber ein Platz unter den Top Acht sollte schon möglich sein. In der Einzelwertung setzt Pokorny vor allem auf Haboubi: „Bei ihm ist alles drin. Er ist ein Kämpfer und läuft inzwischen auch taktisch klug.“
Im Crosslauf ist der SSV Ulm 1846 in Baden-Württemberg schon lange eine Macht. Dieses Jahr hat die erste Mannschaft mit Aimen Haboubi, Korbinian Völkl und dem Mann aus Eritrea, Efrem Tadese, die Landesmeisterschaft geholt, die zweite Garnitur mit Fabian Konrad, Fabian Göggel und Muhammad Lamin Bah ist auf Rang drei gekommen. In Thüringen dürfen allerdings die starken Afrikaner Tadese und Bah gar nicht antreten, weil sie keine deutsche Staatsbürgerschaft besitzen.
Muhammad Lamin Bah ist seit 2016 beim SSV Ulm 1846. Aus Gambia floh er in den Senegal, war dann ein Jahr in Libyen und wurde von Schleppern als Bootsflüchtling nach Italien gebracht. Den Halbmarathon ist der zurückhaltende 20-Jährige, der in Europa zum ersten Mal Schnee gesehen hat und inzwischen in einem Hotel arbeitet, schon in etwas mehr als einer Stunde gelaufen. Wieland Pokorny kann aus dem Kopf alle Topzeiten seiner Schützlinge herunterbeten. Auch die der schnellsten Frauen im Verein: Marlene Gomez-Islinger, die noch bis Mai in Texas studiert und Verena Cerna, eine Physik-Professorin.
Die männlichen Topläufer sind inzwischen alle auf einem ähnlichen Niveau, zumal sich der Weißenhorner Fabian Konrad zuletzt erheblich gesteigert hat. Ihr Trainer sagt trotzdem: „Bei allen ist noch Luft nach oben.“Das sieht auch der 20-jährige Konrad so: „Ich hoffe, dass ich noch einen guten Schub bekomme.“
Von Ende März an absolvierte Pokornys Läufergruppe eine Woche lang ein Trainingslager in der Türkei. Dort soll mit speziellen Übungseinheiten die Umstellung auf die Sommersaison gelingen, in der erneut diverse Meisterschaften auf dem Programm stehen. Die weitere Vorbereitung auf diese Titelkämpfe können Haboubi und seine Mannschaftskameraden dann auf den derzeit noch verschneiten Bahnen im Donaustadion absolvieren. Dort besteht kaum die Gefahr, dass sie umknicken oder sich sonst wie wehtun.
Der Gambier Bah kam als Bootsflüchtling