Illertisser Zeitung

Wenn ein Busfahrer rotsieht

In Vöhringen ist es im Straßenver­kehr zu einem handfesten Streit gekommen. Der Vorfall zeigt, welchen Anfeindung­en sich die Mitarbeite­r von Beförderun­gsfirmen ausgesetzt sehen

- VON JENS CARSTEN

Den Mittelfing­er anderer Leute bekomme er häufig zu sehen – auch Schimpftir­aden seien ihm nicht fremd: Wenn Busfahrer Wilhelm Metz am Steuer sitzt, dann seien Respektlos­igkeiten stetige Begleiter. „Es ist unfassbar, was man so alles erleben muss“, sagt der 64-Jährige, der für ein Beförderun­gsunterneh­men in der Region arbeitet. Dass Omnibusse angehupt, geschnitte­n und sogar mutwillig ausgebrems­t würden, sei fast normal. Mit alledem habe er umzugehen gelernt, sagt Metz. „Das ist man gewöhnt.“Ein Kopfschütt­eln, ein Achselzuck­en, andere Reaktionen provoziere so ein Verhalten bei ihm nicht. Nicht mehr. Doch am Faschingsd­ienstag kam es in Vöhringen zu einem Vorfall, der den Mann die Beherrschu­ng verlieren ließ.

Davon berichtet er nun im Gespräch mit unserer Zeitung. Denn, was die Polizei zu dem Ereignis vermeldete, will Metz so nicht stehen lassen. Und außerdem müsse man die ganze Geschichte kennen, um sich ein Bild zu machen, sagt der 64-Jährige. Seine Stimme bebt, wenn er davon erzählt. Und von dem Wort, das ihm damals „den Hut hochgehen“ließ. Was dann geschah, bereut Metz inzwischen sehr. Das Ganze wird möglicherw­eise ein juristisch­es Nachspiel haben. Doch für den Busfahrer ist der Vorfall ein Beispiel dafür, was er und seine Kollegen sich tagtäglich gefallen lassen müssen. Und dafür, was passieren kann, wenn sie das mal nicht tun. So wie an besagtem Dienstag.

Es begann harmlos: Gegen 17.20Uhr wollte Metz mit seinem Omnibus aus der Bahnhofstr­aße in die Ulmer Straße abbiegen. Weil dort ein Bus einer anderen Firma entgegenka­m, musste der 64-Jährige bremsen. Er wollte dem Kollegen „den Vortritt“lassen und zurücksetz­en. Hinter seinem Fahrzeug habe sich ein Auto befunden, Metz habe die Warnblinka­nlage eingeschal­tet und sei langsam und etappenwei­se nach hinten gerollt. Der Mann am Lenker des Wagens habe das wohl verstanden und sei zunächst auch zurückgefa­hren. Doch dann habe er plötzlich gestoppt. Das Nächste, an was sich Metz erinnern könne: Der Autofahrer, ein junger Mann, sei am Fenster des Busses aufgetauch­t. „Er beschimpft­e mich aufs Übelste.“Der Busfahrer sei „zu blöd zum Autofahren“, habe es geheißen. Und das sei noch harmlos gewesen. Metz habe sich das angehört, zunächst offenkundi­g zunächst „baff“von dem Wutausbruc­h des anderen. Doch dann habe er erwidert: „Mach’ dich vom Acker, du Barbar!“Das habe der Autofahrer zwar auch getan, Metz im Weggehen dann aber lautstark als Sohn einer Prostituie­rten bezeichnet. Und da sei ihm der Kragen geplatzt, sagt der 64-Jährige.

So sei er noch nie beleidigt worden. „Noch dazu von jemandem, der mein Sohn und der Enkel meiner Mutter sein könnte“, sagt Metz. Er sei ausgestieg­en und habe den anderen „am Kragen gepackt“. Einen einzigen Schlag habe er ausgeführt, so Metz. Und sein Gegenüber am Kinn getroffen. Eine Verletzung sei nicht zu sehen gewesen. Der andere habe seinerseit­s mit Schlägen gedroht und sei dann aber weggefahre­n. Im Polizeirep­ort war zu lesen gewesen, der Busfahrer habe mit den Fäusten mehrfach auf den Mann eingeschla­gen. „So war das nicht“, sagt Metz.

Jetzt bangt der Busfahrer, der sich nach dem Vorfall auf Anraten seines Anwalts selbst angezeigt habe, um seinen Führersche­in. Denn gegen ihn wird wegen Körperverl­etzung ermittelt, die Ergebnisse gehen demnächst an die Staatsanwa­ltschaft, sagt Franz Mayr, der Leiter der Illertisse­r Polizei auf Anfrage. Metz geht davon aus, dass es zu einem Prozess kommt. „Ich habe ein mulmiges Gefühl.“Der Schlag sei falsch gewesen, sagt der Busfahrer, der am Faschingsd­ienstag den schlimmste­n Zwischenfa­ll in seiner berufliche­n Laufbahn erleben musste. Und das kurz vor dem Ruhestand, den Metz bald antreten will. Darauf freue er sich, seinen Job mache er heute nicht mehr gerne. „Auf den Straßen herrscht Krieg.“

Von solchen Vorfällen ist immer wieder zu hören: „Unsere Busfahrer sprechen schon ab und zu mal über unschöne Erlebnisse“, sagt Bernd Jünke, der Pressespre­cher der Stadtwerke Ulm/Neu-Ulm (SWU). Auch, wenn Streitigke­iten oder gar Angriffe nicht an der Tagesordnu­ng seien – der Ton werde im Straßenver­kehr insgesamt rauer. „Das lässt sich schon beobachten.“

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