Ein Könner des Boogie Woogie
Thomas Scheytt zeigt vor 250 Zuhörern sein Talent am Klavier
Thomas Scheytt hat die rund 250 Zuhörer in der Illertisser Schranne überzeugt: „Der Boogie Woogie ist für das Klavier gemacht.“Dieses Zusatzes hätte es gar nicht bedurft, als der Pianist dem Publikum versprach, ursprüngliche Boogie- und verwandte RagtimeRhythmen aus der Entstehungszeit Anfang des 20. Jahrhunderts zu spielen. Nach mehr als zwei Stunden rollender Bässe mit der linken Hand und melodischer Figuren aus Trillern und Tremoli mit der rechten, waren die Besucher hingerissen. Der schwäbische Pfarrerssohn, Jahrgang 1960, gilt als einer der Besten seines Fachs.
Im Jahr 2015 war Thomas Scheytt zweifacher Gewinner des German Blues Award (Bestes Piano). Ab dem achten Lebensjahr erhielt er Klavier- und Orgelunterricht, später finanzierte er sein Philosophiestudium mit Auftritten, um sich letztlich ganz dem Blues- und Boogie-Woogie-Spiel zu verschreiben.
Beim Konzert in Illertissen gab es weder ein Programm für das Publikum noch Noten für den Pianisten und der Abend stand ganz unter dem Boogie-Woogie-Motto. Scheytt schien dazu regelrecht mit dem Flügel verwachsen. Kein Akkord glich dem anderen, jeder Ton kam anders. Als ob Scheytt ein ganzes Orchester aufbieten wollte, mühelos, ohne den Flügel zu traktieren. Linke und rechte Hand schienen sich zu verselbstständigen, gegenseitig Motive zuzuwerfen und die Füße deuteten Tanzschritte an, wenn sie nicht gerade das Pedal drückten. Scheytt spielte eigene und fremde Stücke. Zum Beispiel den „Suitcase-Blues“mit perlenden Tonfolgen von Thomas Hersall oder das an Karussellrunden erinnernde „Merry-Go-Round“des RagtimeSpezialisten Hans-Jürgen Bock.
Scheytts eigene Kompositionen wie etwa der „Flower Street Express“in Reminiszenz an seinen Wohnort in der Blumenstraße in Freiburg, erinnerten mit ihren Titeln an die Wurzeln des Boogie Woogie. Scheytt spielte mal melancholisch in sich gekehrt, mal setzte er das Spiel humorvoll in Szene, als ob sich seine Hände gegenseitig an Tempo überholen wollten – in jedem Fall war es virtuos. Für den Ausklang holte er überraschend seine 17-jährige Nichte Fanny Bergmann auf die Bühne, um mit ihr vierhändig für den Fifty Dollar Blues über die Tasten zu fegen.