Ein bisschen wie Dallas in der DDR
An diesem Dienstag startet bereits die vierte Staffel der preisgekrönten Serie „Weissensee“. Diese ist weit mehr als nur bunte Seifenopern-Unterhaltung
Es gibt nicht viele deutsche Serien, die die jüngere deutsche Geschichte so intensiv erzählen wie „Weissensee“. Auch wenn der
sie einst etwas herablassend als „Dallas der DDR“betitelte. Die nunmehr vierte Staffel führt die Zuschauer mitten in die Wirren des Wendejahrs 1990, eine Zeit, in der Weltgeschichte geschrieben wurde: In der DDR finden die ersten freien Wahlen statt, die Treuhand wird gegründet, die Währungsunion eingeführt. Der damalige CDU-Bundeskanzler Helmut Kohl verspricht „blühende Landschaften“.
Wieder geht es in der packend erzählten und preisgekrönten TV-Seifenoper um gesellschaftliche Verstrickungen, Liebe und Verrat. Alle Beteiligten sind wie bisher schon sowohl Täter als auch Opfer. Und es geht noch um ein bisschen mehr: Um die einmalige Stimmung und um die Verhältnisse im Deutschland jener Zeit, betrachtet aus der Ostsicht.
Die ersten Staffeln erzählten von den 1980er Jahren. Die sechs neuen Folgen spielen nun kurz nach der Maueröffnung, von Frühjahr bis Herbst 1990. Damals herrscht in der DDR große Zuversicht, aber auch extreme Unsicherheit: Die Karten werden neu gemischt. Jeder kämpft auf seine Weise um einen Platz im gemeinsamen Deutschland.
Auch und gerade die Mitglieder der Familie Kupfer und Hausmann, um die sich die Handlung dreht, müssen sich nach dem Zusammenbruch des DDR-Systems neu positionieren: Der Intrigant Falk Kupfer, großartig gespielt von Jörg Hartmann („Tatort“), der nach einer Schussverletzung im Rollstuhl sitzt, weiß unter einer falschen Identität sein Stasi-Wissen gewinnbringend für einen West-Konzern einzusetzen. Sein Sohn Martin Kupfer (Florian Lukas, „Das schweigende Klassenzimmer“), der endlich seine Tochter gefunden hat, kämpft um den Erhalt seines Möbelbetriebs – und damit auch um die Zukunft hunderter Mitarbeiter. Seine Freundin Katja Wiese (Lisa Wagner, „Kommissarin Heller“) kommt als Journalistin zwielichtigen Geschäften von alten und neuen Seilschaften auf die Spur.
Auch bei den anderen Familienmitgliedern ist einiges los. Vera Kupfer (Anna Loos, „Helen Dorn“) steigt nach der frustrierenden Wahlniederlage der Bürgerbewegung bei der Treuhand ein. Sie will dem Ausverkauf des Ostens nicht tatenlos zusehen. Für Falks Mutter Marlene Kupfer (Ruth Reinecke, „Toni Erdmann“) zählt dagegen vor allem die finanzielle Absicherung der eigenen Familie. Gemeinsam mit einem ehemaligen Stasi-Generalleutnant bringt sie SED-Vermögen in Sicherheit. Auf die Unterstützung ihres Mannes Hans Kupfer (Uwe Kockisch, „Donna Leon“) kann sie dabei nicht zählen. Er will Schuld und Verstrickungen konsequent offenlegen und macht sich damit nicht nur in der eigenen Familie viele Feinde.
Gedreht wurde die Serie von April bis Juli 2017 in Berlin und Umgebung. Und dem Regisseur, EmmyPreisträger Friedemann Fromm, gelingt es, dieses wichtige Stück deutscher Historie nach Meinung von Kritikern „hervorragend recherchiert, dramaturgisch dicht und aufwühlend“zu erzählen.
Fromm, ein Experte für die Verfilmung zeitgeschichtlicher Inhalte, selbst sagt: „Die Zusammenführung war beispiellos in der Geschichte. Zu glauben, dass heute alles glattgebügelt sei, ist ein fataler Irrtum. Alles, was wir heute erleben, ob Pegida oder die Unzufriedenheit, die sich im Osten verstärkt, zeigt: die Wurzeln dafür liegen genau in diesem Sommer 1990.“
Letzteres muss übrigens nicht das Ende von „Weissensee“bedeuten. Könnte die Erfolgsserie also weitergehen? „Wir hoffen alle auf eine fünfte Staffel“, sagte Produzentin Regina Ziegler der Aus den 1990er Jahren gebe es noch so viele Geschichten zu erzählen. Das Ende von „Weissensee“sei erst dann erreicht, wenn die Teilung überwunden ist.
„Weissensee“läuft jeweils als Doppelfolge: Die Serie wird an diesem Dienstag, am Mittwoch und am Donnerstag um jeweils 20.15 Uhr in der ARD ausgestrahlt.