Das Endspiel hat ein Nachspiel
Nach dem Pokalsieg der Ulmer Spatzen sollen Hooligans Fahrgäste im Zug rassistisch beleidigt haben. Nun hat die Bundespolizei Ermittlungen aufgenommen
Die Bundespolizeiinspektion Stuttgart hat wegen angeblicher Randale und rechtsradikaler Ausbrüche nach dem Pokalfinale des SSV Ulm gegen den TSV Ilshofen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Die Vorstände Thomas Oelmayer und Anton Gugelfuß zeigten sich völlig überrascht von einem am Donnerstag erschienenen Medienbericht. Darin war zu lesen, dass an die 100 rechtsradikale Hooligans unter anderem antisemitische Parolen skandierten. Mehrere unbeteiligte Mitfahrer des Zuges gen Ulm seien eingeschüchtert worden. „Ich bin der Letzte, der so etwas verteidigt“, sagt Gugelfuß. Allerdings scheint die Faktenlage sehr dünn. Auf Anfrage heißt es, dass bis zu dem Zeitungsbericht der Bundespolizeiinspektion Stuttgart keine Vorfälle bekannt waren, bei denen es zu politisch motivierten Straftaten gekommen sein soll. In diesem Zusammenhang hätten sich noch keine Zeugen gemeldet. Diese werden nun dringend gebeten, sich bei der Bundespolizei (Telefon 0711/ 870350) zu melden.
Bestätigen kann die Polizei nur, dass sich die Fans nicht vorbildlich verhalten haben: Die bahnreisenden Anhänger des SSV Ulm befanden sich nach Polizeiangaben gegen 20.20 Uhr im Stuttgarter Hauptbahnhof, um mit dem Zug in Richtung Ulm abzureisen. Durch eine bislang unbekannte Person sei vor die Notbremse gezogen worden, sodass der Zug nicht mehr fahrbereit war. Aufgrund dessen nutzten die Fans eine Stunde später einen anderen Zug. Die in zivil gekleideten Polizeibeamten begleiteten diesen Regionalexpress, während uniformierte Kräfte mit Dienstfahrzeugen parallel entlang der Bahnstrecke in Richtung Ulm ihren Dienst verrichteten. Zudem überwachten die uniformierten Beamten den Umstieg am Bahnhof in Aalen und zeigten angeblich auch beim Endhalt in Ulm starke Polizeipräsenz. In einem Fall sei ein Sitz im Zug durch bislang unbekannte Täter beschädigt worden. Durch das Einschreiten der zivilen Beamten hätten weitere Sachbeschädigungen verhindert werden können. Unserer Zeitung liegt ein Bericht eines Zeugen vor, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, der das Auftreten der Rechtsradikalen bestätigt. Eine junge, dunkelhäutige Frau sei per Gesängen rassistisch und sexistisch beleidigt worden. Gerade bei solchen Spielen gebe es eine bekannte Gruppe, die eindeutig der rechten Szene zuzuordnen sei. Alkohol habe zur Eskalation beigetragen. Kritik gibt es auch an der Deut- schen Bahn: Auf der Brenzbahn Ulm–Aalen seien dieselben „mickrigen Züge“wie sonst auch eingesetzt worden, die total überfüllt gewesen seien. Der Gang sei komplett mit stehenden Menschen überfüllt gewesen. Es wäre demnach der Polizei, falls sie am anderen Ende des Zuges außerhalb der Sichtweite des Zeugen war, auch nicht möglich gewesen, einfach durchzukommen und die Geschehnisse festzustellen.
Die Deutsche Bahn „bedauert“auf Anfrage unserer Zeitung, dass die „doppelten Sitzplatzkapazitäten“nicht ausreichend gewesen seien. Das Unternehmen habe erwartet, dass die Masse der Fans für die Rückreise die Verbindung um 21.34 Uhr wählen würde. Aufgrund der Verzögerungen bei der Abfahrt des Zuges von Stuttgart nach Aalen in Stuttgart (etwa wegen unberechtigtem Betätigen der Notbremse) kam es aber zu einer Verschiebung. Für die Verbindung um 22.37 Uhr ab Aalen sei kurzfristig ein weiterer Triebzug bereitgestellt worden.
Weiter schreibt ein Bahnsprecher: „Das Fehlverhalten der Fußballfans war absolut inakzeptabel, wir bitten die davon betroffenen Reisenden um Entschuldigung.“
Ein anderer Fahrgast will von Problemen im Zug nichts mitbekommen haben. „Ich kann Ihnen versprechen, dass 99 Prozent der wirklichen Ulmer Fans sich friedlich verhalten und sich von sämtlichen rechtsradikalen, homophoben oder antisemitischen Parolen absolut disAbfahrt tanzieren“, mailt ein unserer Zeitung namentlich bekannter Fan. Und die restlichen ein Prozent Hooligans seien niemals 100 an der Zahl gewesen. Im Stadion selbst wurden laut Zeugenaussagen keine rechtsradikalen Parolen skandiert. Zeugen berichteten unserer Zeitung von einer „total friedlichen“Stimmung. Einige „auffällige Glatzköpfe mit schwarzen Pullovern“seien da gewesen, hätten sich im Stadion jedoch ruhig verhalten.
Die Verantwortlichen des SSV zeigen sich bestürzt über die Vorkommnisse nach dem größten Erfolg in der jüngeren Vereinsgeschichte. „Der gesamte Vorstand sowie der komplette Aufsichts- und Verwaltungsrat distanziert sich absolut von den berichteten Vorkommnissen – für den Fall, dass sich diese so ereignet haben – und den beteiligten Personen“, heißt es in einer von den Vorständen Gugelfuß und Oelmayer sowie Alexander Schöllhorn unterzeichneten Erklärung. Wie Gugelfuß auf Anfrage sagt, sei sich der Verein durchaus bewusst, dass es Problemfans gebe. „Bis heute Morgen war unsere Welt noch in Ordnung“, sagt Gugelfuß. Denn durch persönliche Gespräche sei erreicht worden, dass vier Jahre nichts dergleichen vorgekommen sei. Nun scheint das Gespenst Extremismus wieder da zu sein. Ein solches Verhalten sei aber mit dem neuen Geist und den zielführenden Ideen des SSV Ulm 1846 Fußball absolut nicht zu vereinbaren.
„Bis heute Morgen war unsere Welt noch in Ordnung.“ Vorstand Anton Gugelfuß