Stuttgart steht vor Fahrverboten
Die grün-schwarze Landesregierung geht davon aus, dass die Grenzwerte nur so zu erfüllen sind. Nur der Starttermin scheint umstritten
Auch die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart steht wohl vor der Einführung von Fahrverboten für ältere DieselFahrzeuge. In Hamburg gelten bereits Fahrverbote auf zwei Straßen und werden kontrolliert. Offiziell gilt strengstes Stillschweigen vor dem Treffen der grün-schwarzen Koalitionsspitze in Baden-Württemberg am heutigen Dienstag. Dass in Stuttgart ältere Diesel, die nur Euro 3 oder Euro 4 erfüllen, die Rote Karte bekommen werden, ist aber eigentlich ausgemacht. „Da müssen wir uns nichts vormachen: Ohne Verbote sind die Vorgaben der Richter nicht zu erfüllen“, räumt ein Christdemokrat ein. Aktuell würde das in Stuttgart noch fast 20 000 Besitzer treffen, in der Region mit den vier benachbarten Kreisen nimmt man an, dass 100000 Diesel höchstens Euro 4 erfüllen.
Ein ganz kleiner Kreis unter Leitung von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sucht eine Lösung im Streit um Fahrverbote in Stuttgart. Im Zentrum steht die Frage, ob für Dieselautos mit Euronorm 5 weiter freie Fahrt möglich ist. „Unser Ziel ist, dass Euro5-Diesel nicht verboten werden“, betont CDU-Fraktionsgeschäftsführerin Nicole Razavi.
Das vom Grünen-Politiker Wolfgang Reimer geführte Regierungspräsidium Stuttgart hat Experten die Wirkung einzelner Maßnahmen untersuchen lassen. Die Fahrverbote bis Euro-4-Diesel bringen danach nur fünf Mikrogramm Minderung beim Stickstoffdioxid. Würde man die Diesel mit Euro 5 einbeziehen, kämen weitere acht Mikrogramm dazu. Aber das träfe fast 30000 Autobesitzer in Stuttgart zusätzlich. Grünen-Verkehrsminister Winfried Hermann würde gerne das Fahrverbot für diese Autos in ein Gesamtpaket aufnehmen. „Dann hat man nur einmal den Ärger“, heißt es dazu. Dagegen beharrt CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart darauf, erst im Sommer 2019 dieses heikle Thema zu entscheiden.
Insgeheim hat die CDU sich aber in das Unvermeidliche schon gefügt. Zuletzt ist die Erneuerung der Flotte rund um Stuttgart schnell vorangekommen. Die Landesanstalt für Umweltmessungen gibt den Mittelwert für Stickstoffdioxid im Jahr 2017 mit 73 Mikrogramm je Kubikmeter an. Im Mai 2018 lag dieser noch bei 68,6. Aber erlaubt sind nur 40 Mikrogramm.
Unsicherheit herrscht derzeit auch noch über den Starttermin der Fahrverbote. Berichten zufolge kursiert in der grün-schwarzen Landesregierung der 1. Januar nächsten Jahres als möglicher Termin. „Zum 1. Januar 2019 wird es kein Verbot geben“, betont dagegen ein Christdemokrat. Je später die Verbote kommen, desto weniger Autofahrer wären davon betroffen – umso kleiner der Ärger.
Streit programmiert ist auch über Ausnahmen für Anlieger und Handwerker. Die Krux: Je mehr Befreiungen von Fahrverboten genehmigt werden, desto weniger Wirkung bleibt für die Umwelt. Konsens herrscht über die freie Fahrt für Einsatzfahrzeuge und Lieferverkehr. Doch was ist mit der Hebamme, die in der Umweltzone ein Neugeborenes betreut, oder dem Anwalt, der ans Gericht muss?
Für Anlieger zeichnet sich eher eine restriktive Linie ab. Nachgedacht wird über eine Sozialklausel: Wer es sich nicht leisten kann, darf seinen alten Diesel behalten.