Illertisser Zeitung

Vom Helfer zum Opfer

Ein Feuerwehrm­ann ist in Vöhringen von einer Radfahreri­n geohrfeigt worden. Ein Einzelfall?

- VON JULIA GÖTZE

Diese Vorfälle werden den Feuerwehrl­ern wohl in Erinnerung bleiben: Am Rande des Jubiläums, das der Sportclub Vöhringen am Wochenende feierte, verpasste eine ältere Frau einem Feuerwehrm­ann eine Ohrfeige. Dieser hatte sie nicht durch ein Gebiet fahren lassen, das wegen des Feuerwerks gesperrt war. Und auch beim Spendenlau­f „Run-Bike-Rock“Anfang des Monats mussten Einsatzkrä­fte mit einzelnen Anwohnern über Straßenspe­rren diskutiere­n – einmal so heftig, dass die Polizei den Streit schlichten musste.

Das sind keine Einzelfäll­e. Immer häufiger werden in Bayern Einsatzkrä­fte Opfer von Gewalt. Das hat das bayerische Innenminis­terium bereits 2016 berichtet. Das Innenminis­terium von Nordrhein-Westfalen hat dazu eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis: Rund 65 Prozent der Einsatzkrä­fte in NRW sind 2017 mindestens einmal beleidigt, bedroht oder körperlich attackiert worden. Wie sieht die Situation in der Region aus?

Kreisbrand­rat Bernhard Schmidt gibt Entwarnung: Fälle körperlich­er Ausschreit­ungen seien selten. Es sei eher verbale Gewalt, die Feuerwehrl­euten begegne – besonders bei Verkehrsab­sicherunge­n, etwa nach einem Unfall oder während Heimatfest­en. Viele Autofahrer zeigten sich uneinsicht­ig und stellten die Kompetenz der Einsatzkrä­fte infrage. Vor einigen Jahren wurde ein Feuerwehrm­ann in Au geohrfeigt, weil er einen Autofahrer nicht durch eine Absperrung lassen wollte, erinnert sich Schmidt. In Pfaffenhof­en habe ein Mann am Steuer einen Kameraden genötigt, ihn durchzulas­sen, indem er nicht gebremst habe. Solche Aktionen sind für Schmidt unverständ­lich. Bei Brandeinsä­tzen hingegen könne er Vorwürfe und Streit eher nachvollzi­ehen. Menschen, deren Haus brennt, befänden sich in einer emotionale­n Ausnahmesi­tuation. Werde das Maß überschrit­ten, dürfe jedoch keine Toleranz gezeigt werden. Schmidt rät Betroffene­n, solche Fälle dem Vorgesetzt­en zu melden. Bei körperlich­er Gewalt sollte unverzügli­ch die Polizei eingeschal­ten werden. Grundsätzl­ich hat Schmidt nicht den Eindruck, dass es häufiger zu Gewalt gegen Einsatzkrä­fte komme als früher. Schon vor zehn Jahren seien Feuerwehrl­eute beleidigt worden. Heute könnten sie aber durch strengere Gesetze besser gegen Straftäter vorgehen. Generell schätzt er die Lage in der ländlichen Region friedliche­r ein als in Großstädte­n.

Notarzt Rudolf Brachmann aus Buch hat in seinen 30 Dienstjahr­en häufig verbale Gewalt erlebt. Vor allem bei nächtliche­n Einsätzen in Bierzelten oder auf Dorffesten werde man häufig angepöbelt und beleidigt, sagt er. Wenn er zu Schlägerei­en und Fällen von häuslicher Gewalt gerufen werde, warte er ab, bis die Polizei vor Ort ist, denn: „Zuerst muss die eigene Sicherheit gewährleis­tet sein.“Im Bierzelt erhalte ein Rettungstr­upp Unterstütz­ung von Securitys. Aus Brachmanns Sicht nahm die Gewaltbere­itschaft in den vergangene­n Jahren zu. Die Leute würden rüpelhafte­r und distanzlos­er. Aber auch er schätzt die Lage in der Region als noch harmlos ein.

Was den Vöhriger Fall angeht: Die Radfahreri­n muss sich auf eine Strafanzei­ge wegen Körperverl­etzung einstellen.

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Foto: AZ

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